Politik

Deutsche Krankenhaus­gesellschaft warnt vor Verschlechterung der Patientenversorgung

  • Donnerstag, 14. März 2024
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). /picture alliance, Marcus Brandt
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). /picture alliance, Marcus Brandt

Berlin – Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) befürchtet eine Verschlechterung der stationären Patientenversorgung. Grund hierfür ist die wirtschaftlich schwierige Situation vieler Krankenhäuser.

„Im laufenden Jahr droht eine schlechtere Versorgung, wenn kein Inflationsausgleich kommt und keine Kostendeckung hergestellt wird“, sagte heute der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß, bei einer Pressekonferenz. Mit der starken Inflation infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine müssten die Krankenhäuser mehr Geld ausgeben als sie einnehmen. „Aktuell fehlen den Kliniken Monat für Monat 500 Millionen Euro“, so Gaß. Damit zehrten die Kliniken ihre Reserven auf und verschulden sich, um die Patientenversorgung sicherzustellen.

Dies würden auch Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) untermauern. Bei der Umfrage haben 457 Allgemeinkrankenhäuser und Psychiatrien teilgenommen. Demnach erwarten mehr als zwei Drittel der Krankenhäuser eine schlechtere (58 Prozent) oder viel schlechtere Versorgung (zehn Prozent) im Vergleich zu heute. Drei Prozent gehen von einer verbesserten Versorgungssituation aus. Der Rest erwartet keine Veränderungen.

Weiter ergab die Umfrage, dass sich mehr als die Hälfte der befragten Krankenhäuser zu Sparmaßnahmen gezwungen sehen (53 Prozent). Dazu gehören vor allem Personalabbau und Einstellungsstopp, Schließung von Standorten oder Abteilungen, Einschränkungen beim Leistungsangebot, die Einführung von Wartelisten oder Einsparungen bei Investitionen, aber auch die Reduktion von Energie- und Sachkosten, etwa bei der Speiseversorgung.

Als Ursache für diese Situation nannten 93 Prozent der befragten Häuser die nicht refinanzierten Kostensteigerungen. Genau diesen Inflationsausgleich fordern die Krankenhäuser nun schon seit zwei Jahren, betonte Gaß.

Politische Maßnahmen vor der Krankenhausreform gefordert

Gaß erklärte weiter, die Krankenhäuser würden sich nicht vor der geplanten Krankenhausreform sperren. Allerdings löse die Reform nicht die aktuellen Probleme der Krankenhäuser in den kommenden zwei, drei Jahren, sondern wirke in vollem Umfang erst ab 2030. Deshalb brauche es jetzt politische Maßnahmen, um die Krankenhäuser zu retten und Umstrukturierungen in einem geordneten Verfahren vollziehen zu können.

Er appellierte deshalb an Bund und Länder vor der Bundesratssitzung am 22. März, in dem die Länder das Krankenhaustransparenzgesetz durchwinken sollen, eine „wirksame und unmittelbare Anpassung der Landesbasisfallwerte und Psychiatrieentgelte anzukündigen und notwendige Regelungen im Gesetz zu treffen“. Es sei notwendig, dass die Anpassung der Landesbasisfallwerte um vier Prozent rückwirkend zum 1. Januar 2024 erfolge. Dies entspreche einem Finanzvolumen von drei bis vier Milliarden Euro. Das seien keine utopischen Beträge, so Gaß.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte begleitend zum Krankenhaustransparenzgesetz per Protokollerklärung bereits angekündigt, unterjährige Anpassungen der Landesbasisfallwerte zu ermöglichen. Damit sollen Tarifkostensteigerungen aller Berufsgruppen im Krankenhaus weitergereicht werden können. Der DKG ist diese Ankündigung jedoch zu vage formuliert.

Gaß kündigte zudem an, dass die DKG eine Plakataktion vorbereite, die nach der Bundesratssitzung am 22. März an die Krankenhäuser verschickt werde, „wenn nichts mehr passiert“. Diese Plakate sollen die Kliniken nutzen, um auf die schwierige Situation und die Verantwortung der aktuellen Gesundheitspolitik hinzuweisen. Diese Aktion hatte bereits im Vorfeld für Diskussionen gesorgt, denn Minister Lauterbach hatte vergangene Woche unveröffentlichte Versionen einiger Plakatmotive der DKG, auf denen er persönlich zur Verantwortung gezogen wird, auf der Plattform X gepostet und dem Verband „Hetze“ vorgeworfen. Daraufhin hatten sich die 16 Landeskrankenhausgesellschaften über das Vorgehen Lauterbachs per offenem Brief beschwert.

Krankenhausvertreter unterstreichen Notsituation der Kliniken

Neben Gaß brachten einige Vertreterinnen und Vertreter von Krankenhäusern, der Ärzteschaft und weiteren Gesundheitsberufen aktuell bestehende Herausforderungen zum Ausdruck. Sebastian Spottke, Vorsitzender der Geschäftsführung Marienhaus-Gruppe, warnte vor Versorgungslücken, die durch Schließungen mancher Klinikstandorte entstehen würden. Menschen im ländlichen Raum werden zu Menschen zweiter Klasse, so Spottke. „Das kann nicht in unserem Sinne oder im Sinne der Gesundheitspolitik sein.“

Die Krankenhäuser wollen die Reform aktiv mitgestalten, dafür brauche es aber einen Inflationsausgleich sowie einen früher als 2026 wirkenden Transformationsfonds, so Spottke. Zudem warnte er vor der Einführung der geplanten Vorhaltefinanzierung. Diese werde für kleinere Kliniken keine Entlastung bringen, sondern sie im Gegenteil sogar noch bestrafen, etwa wenn sie ihr Leistungsangebot erhöhen wollen. Hier müsse dringend nachgesteuert werden, forderte Spottke.

Die Pflegedirektorin am Waldkrankenhaus Spandau, Andrea Lemke, wies auf das Thema Bürokratie hin. Bereits jetzt hätten die Kliniken schon mehr als 60 Datensätze, die sie befüllen müssten. Sie befürchtet, dass mit dem geplanten Transparenzverzeichnis weitere Dokumentationsanforderungen hinzukommen werden. Stattdessen bräuchte es den Abbau von Bürokratie, damit würden auch ärztliche Ressourcen frei werden. Sie forderte, dass jede einzelne Melde- und Nachweispflicht auf den Prüfstand müsse.

Auch in den Bereichen der Geburtshilfe, Pädiatrie und im Rettungswesen sei die Versorgung heute schlechter als noch vor einigen Jahren, betonten weitere Vertreter. Martin Hochstatter, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Brandenburg an der Havel warnte vor immer längeren Fahrtzeiten der Rettungswagen. Andrea Köbke vom Deutschen Hebammenverband bemängelte die fehlende eins zu eins Betreuung im Kreißsaal. Geburten fänden zudem oft in Rettungswagen statt, kritisierte sie. Geburten bräuchten zudem Zeit und enge Betreuung, das sei aber im Erlössystem nicht vorgesehen. Ähnliche Probleme gebe es in der Kinder- und Jugendmedizin, bemängelte auch Sebastian Beitzel, Pflegedirektor an der Hannoverschen Kinderheilanstalt Auf der Bult. Zudem gebe es oft lange Wartezeiten von sieben bis acht Monaten, etwa für chirurgische Eingriffe.

Auch Susanne Johna, erste Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), warnte vor der sich weiter verschärfenden Unterfinanzierung der Krankenhäuser. Diese führten zunehmend zu Insolvenzen und verunsichere die Beschäftigten. „Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, hat der kalte Strukturwandel das Potenzial, sich zu einer Versorgungskrise auszuweiten“, so Johna.

„Wir erwarten von der Politik, insbesondere vom Bundesgesundheitsminister, dass im Interesse der Patientenversorgung alles dafür getan wird, die vorhandenen Strukturen zu sichern und im Zuge eines geordneten Prozesses auf der Basis einer zwischen Bund und Ländern abgestimmten Reform Veränderungen einzuleiten“, so Johna. Finanzierungszusagen, die sich auf das Jahr 2026 beziehen, könnten jetzt drohende Insolvenzen von Krankenhäusern, die für die Versorgung auch in Zukunft dringend gebraucht werden, nicht abwenden

cmk

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