Wachsende Kritik an Modellversuchen angesichts steigender Coronazahlen

Berlin – Angesichts weiter steigender Infektionszahlen wird die Kritik an den Modellversuchen zur Lockerung der Coronaauflagen lauter. Die deutschen Intensivmediziner forderten am Wochenende die Rücknahme aller geplanten Lockerungen. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) verteidigte derweil das Vorgehen in seinem Bundesland.
„Die Beschlüsse für Modellprojekte nach Ostern sind völlig unpassend und müssen von Bund und Ländern sofort zurückgenommen werden“, sagte der wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, der Düsseldorfer Rheinischen Post von vorgestern. „Es braucht eine Mischung aus hartem Lockdown, vielen Impfungen und Tests.“ Nur so lasse sich ein Überlaufen der Intensivstationen noch verhindern.
Karagiannidis, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) ist, sieht Deutschland „erst am Anfang eines massiven Anstiegs von Intensivpatienten“. Er forderte „Maßnahmen für einen bundesweiten harten Lockdown von zwei Wochen“. Ansonsten drohe bald wieder eine „historische Spitzenbelastung der Intensivstationen mit COVID-19“.
Die saarländische Regierung will ab dem 6. April mit per Rechtsverordnung landesweit die Coronarestriktionen für Gastronomie, Sport und Kultur sowie private Treffen lockern. Mit einem negativen Coronatest soll auch der Besuch von Theatern, Kinos, Konzerthäusern und Fitnessstudios wieder möglich sein.
Wenn sich das Vorgehen als erfolgreich erweist, sollen ab dem 18. April weitere Öffnungsschritte folgen. In von anderen Bundesländern geplanten Modellkommunen sollen vergleichbare regionale Testläufe für eine sichere Öffnung von Einzelhandel, Gastronomie und Veranstaltungsstätten stattfinden.
Saarlands Ministerpräsident Hans verteidigte sein Vorhaben, ein Öffnungsmodell zu erproben, das beim letzten Coronagipfel von Bund und Ländern „alle gemeinsam beschlossen“ hätten. „Wir sind ein kleines Land, unsere Testinfrastruktur ist gut aufgestellt, und aktuell das Infektionsgeschehen moderat – also gute Voraussetzungen um dies saarlandweit zu tun“, sagte Hans der Bild-Zeitung vorgestern. Nach einem Jahr Coronapandemie „muss uns jetzt mehr einfallen als nur zu schließen und zu beschränken“.
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) kritisierte die geplanten Lockerungen im Saarland in der Bild als „sehr irritierend und nicht glaubwürdig“. „Es gibt eine große Diskrepanz zwischen dem, was er beim Coronagipfel gesagt hat und was er nun tut“, sagte der FDP-Politiker über den saarländischen Regierungschef.
Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte den RND-Zeitungen: „Modellprojekte müssen dazu dienen, eng abgesteckt Erfahrungen zu sammeln, nicht um in riskanten Situationen Lockerungen schönzureden.“ Sie fügte hinzu: „Immer dann, wenn zuerst Öffnen und erst danach Schutzkonzept gesagt werde, laufe etwas falsch.“
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