Ärzteschaft

Coronaspätfolgen: Zunahme der Fallzahlen bei Jugendlichen erwartet

  • Freitag, 26. März 2021
/famveldman, stock.adobe.com
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Berlin/Freiburg – Mit der Zunahme der Coronaansteckungen bei Kindern und Jugendlichen sind nach Einschätzung eines pädiatrischen Infektiologen auch mehr Spätfolgen in diesen Gruppen zu erwarten.

„Wir rechnen durch die Lockerungen der Maßnahmen mit mehr Betroffenen mit meist diffusen, länger anhaltenden gesundheitlichen Problemen“, sagte Markus Hufnagel vom Zentrum für Kinder- und Jugend­medizin der Universitätsklinik Freiburg. „Darauf ist die Pädiatrie im Vergleich zur Versorgungssitu­ation bei Erwachsenen nach überstandener Infektion noch nicht vorbereitet.“

Akute Coronainfektionen laufen bei Kindern oft symptomlos ab, schwere Krankheitsverläufe sind auch noch bei Jugendlichen eher selten. Von Spätfolgen wird dennoch auch bei Minderjährigen berichtet: Die­se setzten manchmal auch erst Monate nach der Coronainfektion ein oder verschlechterten sich, schil­dert Hufnagel.

Für Ärzte gelte es in solchen Fällen zum Beispiel, das Vorliegen anderer Infektionen durch Tests auszu­schließen. Um den Betroffenen ambulante Angebote machen zu können, gebe es Überlegungen zum Aufbau von Spezialambulanzen für Kinder und Jugendliche.

In der Fachsprache ist bei dem Phänomen von Long Covid (Langes COVID-19) oder Post Covid (Nach CO­VID-19) die Rede. Da für Kinder und Jugendliche noch keine COVID-19-Impfstoffe zugelassen sind, zäh­len sie zu den Gruppen, die noch einige Monate empfänglich für das Virus sein werden.

Mit den Lockerungen der Coronamaßnahmen mit Schul- und Kita-Öffnungen rücken mögliche Spätfol­gen der Infektion in diesen Gruppen in den Fokus. Seit Wochen steigen die nachgewiesenen Coronafälle bei Kindern und Jugendlichen nach Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) an.

„Das Krankheitsbild ist sehr variabel“, erläutert Hufnagel und zählt mögliche Folgen auf, die auch in Kom­bination auftreten könnten: Darunter sind chronische Erschöpfung, generelle Leistungsminderung und Gelenk- und Muskelschmerzen.

Aber auch Hautveränderungen, ähnlich Frostbeulen an den Zehen. Anhaltender Geruchs- und Geschmacks­­verlust spiele hingegen im Vergleich zu Erwachsenen bei Kindern und Jugendlichen eine untergeordnete Rolle.

„Generell sind die Symptome nicht SARS-CoV-2-spezifisch. Das heißt, wir kennen solche anhaltenden ge­sundheitlichen Einschränkungen auch von anderen Virusinfektionen wie dem Pfeifferschem Drüsenfie­ber“, betonte Hufnagel. Das Problem dürfe nicht unterschätzt werden: Je höher die Fallzahlen insgesamt sind, desto größer wer­den auch die Zahlen der Langeleidenden.

„Das Problem wird derzeit eher größer als kleiner, wir sehen schon jetzt deutlich mehr Post-Covid-Fälle“, sagte Hufnagel. „Das sind eher Patienten im Jugend­alter; Fälle in den ersten zehn Lebensjahren sind deutlich seltener.“ In der Regel hätten Eltern den Ver­dacht auf einen Zusammenhang mit einer Corona-Infektion, teils gebe es auch schon einen Antikör­pernachweis.

Daten aus Deutschland zu dem Thema gebe es bislang nicht, sagte Hufnagel, der mit Kollegen der Dresdner Universitätskinderklinik ein Register zu Krankheitsverläufen aller stationär behandelten Kinder und Jugendlichen mit SARS-CoV-2-Infektion der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) etabliert hat.

Eine Studie, bei der Haushalte mit Coronafällen über längere Zeit begleitet wurden, habe gezeigt, dass fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 14 Jahren drei Monate nach der Infektion noch mindes­­tens ein Symptom aufwiesen. Bei Erwachsenen betreffe es hingegen bis zu jeden Dritten, schilderte Hufnagel.

Schätzungen britischer Statistiker vom Office for National Statistics (ONS) zeigen ebenfalls, dass die Last nach durchgemachter Infektion bei Erwachsenen deutlich ausgeprägter zu sein scheint. Während der An­teil derjenigen, die fünf Wochen nach einer Infektion noch mindestens ein Symptom wie Husten, Fieber oder Müdigkeit haben, bei den Zwei- bis Elfjährigen bei rund 13 Prozent liegt, sind es bei den 12-bis 16-Jährigen 14,5 Prozent.

Allerdings spielt beim Auftreten der Spätfolgen nach Einschätzung Hufnagels auch die generell belas­tende und ermüdende Pandemiesituation eine Rolle – nicht nur das Virus allein. „Der Lockdown ist ein großer Stressfaktor. Wenn sich die Pandemiesituation bessert, dürften zumindest bei einem Teil der Be­troffenen auch die Ermüdungsanzeichen besser werden.“

dpa

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