WHO legt neue Gesundheitsagenda für Europa vor

Tel Aviv – Digitalisierung, die Bekämpfung des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen, mentale Gesundheit und einen einfacheren Zugang zu Medikamenten stehen künftig ganz oben auf der Agenda der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Region Europa.
Auf der 72. Europäischen Regionalkonferenz der WHO zurren die 53 Gesundheitsministerinnen und -minister in der europäischen Region seit heute im israelischen Tel Aviv ihre künftige Gesundheitsagenda, die unter anderem diese Ziele enthalten soll, fest.
In einem Konferenzsaal des Hilton Hotels direkt am Strand des Mittelmeers beraten die Minister bis übermorgen, welche Probleme am drängendsten sind und was gemeinsam dagegen getan werden muss.
Gesundheit fördern, bereitstellen, schützen und stärken sei das künftige Credo, betonte heute der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, bei der Eröffnung der Regionalkonferenz.
Es gelte die medizinische Grundversorgung zu stärken und universellen Zugang zu Gesundheitsleistungen sicherzustellen, forderte der Generaldirektor von den teilnehmenden Ländern. Gerade die COVID-19-Pandemie als auch der Ausbruch der Affenpocken habe Schwächen der Gesundheitssysteme auch in Europa gezeigt.
Finanzfonds für die Pandemieprävention aufgelegt
Die Pandemieprävention müsse deshalb unabhängig von der COVID-19-Pandemie gestärkt werden. Dafür habe die WHO einen neuen entsprechenden Finanzfonds ins Leben gerufen.
Eine große Chance sieht Ghebreyesus in Digitalisierungsmaßnahmen im Gesundheitswesen. „Innovationen bei Gesundheitsprodukten gibt uns Hoffnung. Entwicklungen bei Big Data und maschinelles Lernen zeigt uns welche Lücken derzeit in der Gesundheitsversorgung sind und was alles möglich ist.“
Zudem mache es der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine unmöglich angemessene Gesundheitsversorgung in der Ukraine zu leisten, so Ghebreyesus. Er verurteilte den Krieg deutlich und sagte, dass derzeit auch die COVID-19-Fallzahlen in der Ukraine wieder erheblich ansteigen würden.
Die WHO unterstütze die Ukraine zwar mit Lieferungen von Medizinprodukten und Impfstoffen, trotzdem zeigte sich der Generaldirektor sehr besorgt.
An der Eröffnungssitzung der WHO nahm auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), teil. Er informiert sich derzeit in Israel über Digitalisierungsprojekte im Gesundheitswesen. Hierzu sowie zum Thema Pandemiebekämpfung tauscht er sich etwa seit Sonntag mit israelischen Fachleuten aus.
Israel und Deutschland vereinbaren engen Austausch in Gesundheitsfragen
Lauterbach besuchte zudem das Hadassah Krankenhaus in Jerusalem und traf in der israelischen Hauptstadt auch seinen Amtskollegen Nitzan Horowitz. Mit dem israelischen Gesundheitsminister vereinbarte Lauterbach einen künftigen engen deutsch-israelischen Austausch in Gesundheitsfragen.
Bezüglich der künftigen WHO-Agenda erklärte Lauterbach vor der Regionalkonferenz, dass es künftig große Veränderungen und Herausforderungen vor allem aufgrund von übertragbaren Krankheiten geben werde. Die Bekämpfung von unter anderem Viren müsse deshalb an oberster Stelle stehen, betonte Lauterbach. Gerade auch der Ausbruch der Affenpocken in Europa sowie Poliofälle zeigten, dass verstärkte Kooperation zwischen den Ländern wichtig sei, um die Erkrankungen besser eindämmen zu können.
Zudem werde es in der Zukunft mehr und mehr Hitzewellen geben. Die damit verbundenen Konsequenzen des Klimawandels führten auch zu dramatischen gesundheitlichen Problemen, so Lauterbach. Und: Der Krieg mitten in Europa bilde eine dritte, große Herausforderung für die Gesundheitssysteme in Europa.
Um diese anzugehen, brauche die WHO mehr Geld, forderte Lauterbach. „Wir sind alle abhängig von der WHO, deshalb müssen wir sie auch unterstützen. Das ist ein sehr gutes Investment“, forderte er seine Amtskolleginnen und -kollegen auf.
Interdisziplinäre Gesundheitsteams bilden
Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, will sich zudem für interdisziplinäre Gesundheitsteams einsetzen, die die Gesundheitsversorgung gemeinsam verbessern könnten. Zudem müsse die Arbeit der WHO künftig stärker auf der Grundlage von Wissenschaft beruhen. „Es könne nicht sein, dass Wissenschaftler aufgrund ihrer Arbeit um ihr Leben fürchten müssen“, sagte Kluge.
Es sei auch Aufgabe der WHO und der Länder, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu stärken und zu schützen. Kluge warnte weiter vor der Unterschätzung von Erkrankungen wie HIV und forderte politisches Engagement ein, um hier entsprechende Einrichtungen zu stärken. Aber auch Luftverschmutzung, Übergewicht und Einsamkeit seien besonders gesundheitsgefährdende Herausforderungen.
Auch der israelische Präsident Isaac Herzog, betonte, das Thema mentale Gesundheit müsse ganz oben auf der Gesundheitsagenda angeordnet werden. Hier sei verstärkte internationale Kooperation geboten und Israel wolle diesbezüglich eng mit der WHO zusammenarbeiten, so Herzog.
Er erklärte zudem, es sei ein neuer „Zeitgeist des Friedens“ bezüglich der palästinensischen Nachbarn angebrochen. Israel wolle hier künftig Beziehungen und Kooperationen auch in Bezug auf das Gesundheitswesen ausbauen. Gesundheit müsse über der Politik stehen und könne als Brücke für gemeinsame Kooperationen fungieren, betonte Herzog.
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