Zentraler Teil der Krankenhausreform könnte sich um ein Jahr verschieben

Berlin – Ein zentraler Aspekt der Krankenhausreform soll sich verschieben. Die Bundesländer sollen für die Umsetzung der Krankenhausreform deutlich mehr Zeit erhalten, bestätigte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dem Deutschen Ärzteblatt.
Die Zuweisung der neuen geplanten Leistungsgruppen (LG) an die Kliniken könnte damit erst um rund ein Jahr später erfolgen. Die Länder fordern im Vorfeld des Bund-Länder-Treffens am kommenden Donnerstag zudem einige Änderungen der Reform.
Hintergrund der Fristverschiebung ist die vorgesehene Regelung im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung, die Übergangsphase der geplanten Vorhaltefinanzierung verlängern zu wollen.
Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Die Konvergenzphase wird von zwei auf drei Jahre verlängert. Das Jahr 2027 wird dabei für alle Krankenhäuser erlösneutral ausgestaltet, um die neuen Vergütungsregeln und die Wirkung der Vorhaltefinanzierung transparent aufzuzeigen und gegebenenfalls nachzujustieren. Anschließend führen wir die Vorhaltevergütung in zwei Schritten ein.“ Entsprechende Zwischenfristen sollen angepasst werden.
Dies habe zur Folge dass künftig im Jahr 2026 und 2027 die erlösneutrale Phase und 2028 und 2029 die Konvergenzphase liegen werde, erklärte ein Pressesprecher des BMG. Die Vorhaltevergütung soll erst ab dem Jahr 2030 und nicht wie bislang vorgesehen ab 2029 ihre volle Wirksamkeit erzielen.
„Die Verschiebung der Einführung der Vorhaltevergütung hat zur Folge, dass die für die Ermittlung des Vorhaltebudgets erforderliche Mitteilung der Länder über die LG-Zuweisung auch erst später beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) vorliegen muss“, sagte der Sprecher weiter.
Die Länder müssen also erst später mitteilen, welche Krankenhäuser von ihnen welche Leistungsgruppen zugewiesen bekommen haben. „Und dieser neue spätestmögliche Zeitpunkt für diese Mitteilung hat implizit zur Folge, dass sich die Länder bei der Zuweisung der LG auch etwas mehr Zeit lassen können. Aber nicht müssen“, so der Sprecher weiter.
Die Bundesländer befinden sich bereits teilweise in der Planung der Leistungsgruppen. In Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt lief oder läuft das Antragsverfahren für die Krankenhäuser zur Anmeldung der gewünschten Leistungsgruppen bereits. Schleswig-Holstein hatte angekündigt, zunächst auf die finalen Vorgaben zu den Kriterien für die Leistungsgruppen zu warten.
Verlängerung der Frist um knapp ein Jahr
Für wie lange die Verschiebung nun geplant werde, deutete Johanna Sell, Unterabteilungsleiterin Gesundheitsversorgung und Krankenhauswesen im BMG, vergangene Woche auf dem Hauptstadtkongress an.
Die Frist zur Meldung der Leistungsgruppenplanung an das InEK soll um ein Jahr, beziehungsweise um elf Monate verschoben werden, sagte sie. Das InEK solle demnach einen Monat mehr Zeit als bislang vorgesehen erhalten, die Arbeit an der Zuweisung der Leistungsgruppen fertigzustellen.
Im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ist festgehalten, dass die Länder dem InEK diese Informationen zur Ermittlung des Vorhaltebudgets erstmals bis zum 31. Oktober 2026 mitteilen müssen.
Ab 1. Januar 2027 sollten ursprünglich die neuen Krankenhauspläne unter Berücksichtigung der Leistungsgruppen bundesweit in Kraft sein. Mit der angekündigten Verschiebung würden die Landesbehörden bis zur Meldung der zugewiesenen Leistungsgruppen bis Ende September 2027 Zeit erhalten. Sollten die Länder diese Zeit in Anspruch nehmen, würde das bundesweite Inkrafttreten der Leistungsgruppensystematik deutlich verschoben.
Das BMG betonte aber auch, dass die Länder dennoch jetzt schon in die Zuweisung der Leistungsgruppen einsteigen könnten. Die Verschiebung des Datums der Mitteilung an das InEK sichere den Ländern und Krankenhäusern aber eine „praxistaugliche Umsetzung der Krankenhausreform“ zu.
Länder wollen mehr Zeit bis zur Prüfung der Leistungsgruppen
Die Bundesländer selbst forderten nicht direkt eine zeitliche Verschiebung der Zuweisung der Leistungsgruppen.
In einem aktuellen Positionspapier von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen (NRW) und Schleswig-Holstein in Vorbereitung des nächsten Bund-Länder-Treffens zur Krankenhausreform am Donnerstag erklären die Länder, dass grundsätzlich an dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Leistungsgruppen zum 1. Januar 2027 festzuhalten sei.
Allerdings fordern die Länder eine Verlängerung der Frist für die Beauftragung des Medizinischen Dienstes (MD). Statt bis Ende September 2025 – wie bislang im KHVVG vorgesehen – sollten die Länder für die Beauftragung bis spätestens Ende Dezember 2025 Zeit bekommen und als Frist zur Mitteilung des Prüfergebnisses des MD sollte der 30. Juni 2026 definiert werden, lautet die Forderung.
Der MD soll in dieser Zeit prüfen, ob die Krankenhäuser auch die entsprechend benötigten Qualitätsvorgaben einhalten und vorweisen können und entsprechende Leistungsgruppen damit auch erbringen dürfen.
Die Zuweisung der Leistungsgruppen sollte danach bis Ende Dezember 2026 möglich sein, so dass die Länder sechs Monate nach den Ergebnissen des MD Zeit erhalten, lautet die Forderung.
Erneute Forderung nach mehr Ausnahmen
Bei den Leistungsgruppen drängen die Länder nach wie vor auf mehr „Planungsfreiheit“, also mehr Ausnahmemöglichkeiten, um von den vorgegebenen Kriterien abweichen zu können.
„Den Krankenhausplanungsbehörden der Länder muss es möglich sein, in besonderen Konstellationen, Ausnahmen anhand objektiv nachprüfbarer Kriterien, wie beispielsweise Demografie, Topografie oder Bevölkerungsdichte, von den generell gültigen Leistungsgruppenvoraussetzungen sowie in breiterem Umfang Kooperationen zur Erfüllung der Leistungsgruppenvoraussetzungen zuzulassen“, heißt es in dem Papier.
Die technischen und personellen Qualitätsvorgaben der Leistungsgruppen sollte sich nach den NRW-Leistungsgruppen orientieren, heißt es weiter. Gesetzliche Anpassungen an den Vorgaben sollten frühestens zum 1. Januar 2029 nach der vorgesehenen Evaluation erfolgen.
Auch bei den Mindestvorhaltezahlen, die für die entsprechenden Leistungsgruppen perspektivisch gelten sollen, würden Ausnahmemöglichkeiten benötigt, betonten die Länder weiter.
An dem NRW-Modell solle man sich den Ländern zufolge künftig auch bei dem benötigten Grouper zur Abrechnung der stationären Fälle orientieren, da der aktuelle Leistungsgruppengrouper die Versorgungsrealität nicht abbilden würde und die entsprechende Zuteilung der Fälle in die Leistungsgruppen „vielfach rein zufällig“ erfolge.
Mitbestimmung bei sektorenübergreifenden Einrichtungen
Sie wollen zudem mitreden können, welche Leistungen die neuen geplanten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen erbringen können. Diese neue Form der Krankenhäuser soll pflegerische und bestimmte stationäre Leistungen anbieten und insbesondere in den Bereichen der Allgemeinen Medizin und der Geriatrie für eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung sorgen.
Außerdem brauche es eine Überarbeitung der Fachkrankenhäuser, mahnen die fünf Länder an. So sei die bisher geltende Definition zu weit gefasst, so dass viele Krankenhäuser zu Fachkliniken gezählt werden könnten, obwohl sie bislang keines seien. Andere etablierte Fachkliniken seien in der Definition hingegen nicht enthalten.
Die Länder schlagen vor, die Definition lediglich auf die Spezialisierung der Behandlung einer bestimmten Erkrankung, Krankheitsgruppe oder Personengruppe beruhen zu lassen, beziehungsweise die weitere Definition den Ländern unter Festlegung landeseigener Kriterien zu überlassen.
Dass es eine neue Definition der Fachkrankenhäuser benötige, hatte auch die Unterabteilungsleiterin Sell aus dem BMG vergangene Woche angekündigt. Wer einen klugen Vorschlag für eine hilfreiche Definition habe, dürfe sich gerne beim BMG melden, sagte sie.
Die Länder regen darüber hinaus eine Streichung der Frist an, um Vorhaben im Rahmen des Transformationsfonds beginnen zu können. Für 2026 ist diese Frist im KHVVG zum 30. September 2025 vorgesehen.
Nachbesserungen bei Vorhaltepauschalen benötigt
Zudem brauche es Nachbesserungen bei den Regelungen zur Vorhaltefinanzierung. Diese müsste weitgehend unabhängig von dem Umfang der Leistungserbringung errechnet werden, erklären die fünf Länder. Es würden weitere Entschärfungen bei den geplanten Regelungen der onko-chirurgischen Leistungen benötigt.
Die geplante Regelung, dass Krankenhäuser, die weniger als 15 Prozent aller onko-chirurgischen Leistungen im jeweiligen Indikationsbereich erbracht haben, von der Versorgung ausgeschlossen werden sollen, würde zu einer kontinuierlichen Ausdünnung der Versorgung führen. Aufgrund der unbefristeten Anwendung dieser Regelung würde dies auch Kliniken mit relevanten absoluten Fallzahlen treffen können.
NRW ist zudem wichtig in dem Papier zu betonen, dass die im Koalitionsvertrag angesprochene Ausnahme für das Land, auch gesetzlich umgesetzt wird. In NRW ist die Zuweisung von Leistungsgruppen an die Krankenhäuser bereits Ende 2024 erfolgt, der neue Landeskrankenhausplan ist in Kraft.
„Ein erneuter umfassender Planungsprozess ist für Krankenhäuser und Planungsbehörden nicht zumutbar“, heißt es in dem Papier. Entsprechend sollte NRW bis längstens Ende 2030 in einer Übergangsregelung keine neue Leistungsgruppenzuteilung vornehmen müssen, lautet die Forderung des Landes.
Die Unikliniken warnen hingegen vor weiteren Ausnahmeregelungen. Sie würden das Reformziel gefährden und verhinderten die gewollte Konzentration der Versorgung, sagte Jens Scholz, erster Vorsitzender des Verband Universitätsklinika Deutschland (VUD). „Die im KHVVG vorgesehenen Qualitätsvorgaben dienen bei aller berechtigter Kritik an Detailfragen dem Ziel, eine hochwertige Versorgung zu gewährleisten.“
Auch Mindestvorhaltezahlen seien wichtig, um Versorgungsqualität sicherzustellen und Gelegenheitsversorgung zu vermeiden. „Sie gewährleisten, dass komplexe medizinische Leistungen nur dort erbracht werden, wo entsprechende personelle und strukturelle Voraussetzungen kontinuierlich vorgehalten werden.“ Ein zu großer Spielraum bei der Umsetzung der Krankenhausreform würde zu einem Länder-Flickenteppich führen.
Stattdessen brauche es klare bundeseinheitliche Strukturvorgaben. Reformverzögerungen oder zu weitgehende Aufweichungen führten nicht zur notwendigen Strukturveränderung der Krankenhauslandschaft, betonte Scholz.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: