Ärzte der Welt ruft zu Ende der Ankerzentren auf

München – Die Lebensbedingungen in den sogenannten Ankerzentren in Bayern verstoßen nach Ansicht von Ärzte der Welt gegen Mindeststandards zur Unterbringung von Asylsuchenden und schaden der psychischen Gesundheit der Bewohner. Die Hilfsorganisation mahnt daher an, das Pilotprojekt „Ankerzentren“ in seiner jetzigen Form noch vor 2020 zu beenden.
„Die Zustände in Ankerzentren und Massenunterkünften machen psychisch gesunde Menschen krank und psychisch Kranke noch kränker“, sagte die Ärzte-der-Welt-Mitarbeiterin Stephanie Hinum heute auf einer Pressekonferenz in München. Der Bayerische Flüchtlingsrat hatte die Veranstaltung anlässlich des Jahrestags der Einführung des „Anker“-Konzepts im August 2018 organisiert.
Hinum ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und bietet seit rund einem halben Jahr im Rahmen einer Kooperation von Ärzte der Welt und Refugio München eine offene Sprechstunde in der Ankereinrichtung Manching/Ingolstadt an. Sie berichtete von einem jungen Schizophreniepatienten, der unter anderem an akustischen Halluzinationen litt.
Für ihn sei schon das gemeinsame Essen im lauten Speisesaal eine Tortur gewesen. Auch eine junge Frau, die auf ihrer Flucht in einem libyschen Foltergefängnis interniert gewesen war und unter Posttraumatischer Belastungsstörung leidet, sei in die Sprechstunde gekommen. Alles in der Einrichtung löse bei der Patientin Erinnerungen an ihre schrecklichen Erlebnisse aus.
„Solche Menschen gehören nicht in ein Ankerzentrum. Sie gehören generell nicht in eine Massenunterkunft“, betonte Hinum. Es mangele jedoch an einem System, besonders Schutzbedürftige rasch und systematisch zu identifizieren.
Ärzte der Welt weist auch darauf hin, dass Patienten, die vor ihrer Ankunft in der Sammelunterkunft psychisch stabil gewesen seien, durch die Umstände einem großen Risiko ausgesetzt seien, psychische Störungen zu entwickeln. Besonders negativ wirkten sich demzufolge der fehlende Schutz vor Übergriffen und die mangelnde Privatsphäre aus.
„Die Verschärfung der Asylgesetzgebung in den letzten Jahren höhlt das Recht auf Gesundheit zunehmend aus, um Menschen davon abzuschrecken, nach Deutschland zu kommen. Dieses Mittel der Abschreckung ist ebenso wirkungslos wie inakzeptabel“, sagte François De Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt. Er forderte eine dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden sowie die Einhaltung nationaler und internationaler Mindeststandards.
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