Vermischtes

Deutschland nicht ausreichend auf Hitzewellen vorbereitet

  • Freitag, 7. August 2020
/picture alliance, HMB Media, Heiko Becker
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Berlin – Deutschland steht dieser Tage am Anfang einer neuen Hitzewelle, ist für die bevorstehenden hohen Temperaturen aber nicht gerüstet. Darauf weisen die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), die Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen und das Aktionsbündnis Health for Future hin.

Bei Hitzewellen wie in diesen Tagen würden regional „bis zu rund 60 Prozent der Bevöl­ke­­rung kritischen Grenzwerten ausgesetzt“, heißt es in einer heute Morgen veröffentlich­ten gemeinsamen Mitteilung der drei Organisationen. Gefährdet seien vor allem chro­nisch Kranke, Kleinkinder, alleinstehende und ältere Menschen.

Doch obwohl das Umweltbundesamt schon 2014 Handlungsbedarf angemeldet und die Bundesregierung 2017 die Länder aufgefordert habe, Hitzeaktionspläne aufzustellen, sei so gut wie nichts passiert, monieren sie.

Problematisch sei vor allem, dass „es kein für alle verbindliches Alarmsystem, keine Iden­tifizierung von Gefahrenzonen und Risikogruppen, keine Hitzeleitstellen, keine Kühlzo­nen und – mit ganz wenigen Ausnahmen – keine Fortbildung für Niedergelas­sene, Kran­kenhaus- und Pflegeheimangestellte gibt“, wie der Vorsitzende von KLUG, Martin Herr­mann, betont.

Viele Todesfälle durch Hitze wären vermeidbar

„Während Hitzewellen sterben acht bis zwölf Prozent mehr Menschen“, ergänzt KLUG-Mitglied Ralph Krolewski, Vorstand im Hausärzteverband Nordrhein, der für seine Patien­ten eine eigene Klimasprechstunde eingerichtet hat. Dass man viele der Hitzetoten ver­hindern könnte, zeige das Beispiel Frankreich, berichtet er.

In Frankreich lösen Temperaturen ab 32 Grad bereits die erste Alarmstufe in Kommunen und Gesundheitswesen aus, ab 38 Grad wird der Zivilschutz aktiv. Die einzelnen Präfek­turen reagieren dann auf der Basis eines nationalen Hitzeschutzplanes. „Warum geht das nicht in Deutschland?“, so Krolewski.

Im Nachbarland Frankreich sind Städte und Regionen außerdem verbindlich an den na­tionalen Wetterdienst angeschlossen – im Gegensatz zu Deutschland. Hierzulande gibt es zwar seit 2005 ein bundesweites Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes mit Ka­nälen zu Alten-und Pflegeeinrichtungen, Landesministerien oder zuständigen Gesund­heits-und Aufsichtsbehörden.

Doch in der Praxis funktioniere das System nur eingeschränkt und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, erklärt Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes.

„Die Hitzewarnungen sollten bei allen Betroffenen, Pflegenden und Multiplikatoren an­kommen. Alle Informationskanäle, wie Newsletter oder auch Teletext sollten genutzt werden. Hitze betrifft nicht nur ältere Menschen, sondern alle“, betont er.

Kritisiert wird von den Organisationen auch, dass es in Deutschland an Aufklärung und Verhaltensempfehlungen für Risikogruppen mangele, etwa für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern oder Betreuerinnen in Schulen und Kitas. Auch Gebäudeanpassungen in Kliniken, Heimen und Arztpraxen – wie Thermoschutz, Begrünung oder Trinkwasser­spender – seien nur selten zu finden.

In der aktuellen Situation besonders prekär: Von den Folgen des Hitzestresses, der star­ken UV-Strahlung und der hohen bodennahen Ozonbelastung sind vor allem ältere Men­schen und chronisch Kranke betroffen. Damit überschneiden sich die Risikogruppen der Hitzewelle und der Coronapandemie – eine zusätzliche Belastung für das Gesund­heits­system.

Informationsmaterialien für diese besondere Herausforderung haben Experten des Helm­holtz Zentrums München, des Universitätsklinikums Heidelberg und von KLUG zusamm­en­gestellt. Sie geben allgemeine Hinweise für besonders betroffene Bevölke­rungsgrupp­en, für Ärzte, für Pflegeheime und für medizinisches Personal, das bei großer Hitze in Schutzausrüs­tung arbeiten muss.

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