Deutschland nicht ausreichend auf Hitzewellen vorbereitet

Berlin – Deutschland steht dieser Tage am Anfang einer neuen Hitzewelle, ist für die bevorstehenden hohen Temperaturen aber nicht gerüstet. Darauf weisen die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), die Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen und das Aktionsbündnis Health for Future hin.
Bei Hitzewellen wie in diesen Tagen würden regional „bis zu rund 60 Prozent der Bevölkerung kritischen Grenzwerten ausgesetzt“, heißt es in einer heute Morgen veröffentlichten gemeinsamen Mitteilung der drei Organisationen. Gefährdet seien vor allem chronisch Kranke, Kleinkinder, alleinstehende und ältere Menschen.
Doch obwohl das Umweltbundesamt schon 2014 Handlungsbedarf angemeldet und die Bundesregierung 2017 die Länder aufgefordert habe, Hitzeaktionspläne aufzustellen, sei so gut wie nichts passiert, monieren sie.
Problematisch sei vor allem, dass „es kein für alle verbindliches Alarmsystem, keine Identifizierung von Gefahrenzonen und Risikogruppen, keine Hitzeleitstellen, keine Kühlzonen und – mit ganz wenigen Ausnahmen – keine Fortbildung für Niedergelassene, Krankenhaus- und Pflegeheimangestellte gibt“, wie der Vorsitzende von KLUG, Martin Herrmann, betont.
Viele Todesfälle durch Hitze wären vermeidbar
„Während Hitzewellen sterben acht bis zwölf Prozent mehr Menschen“, ergänzt KLUG-Mitglied Ralph Krolewski, Vorstand im Hausärzteverband Nordrhein, der für seine Patienten eine eigene Klimasprechstunde eingerichtet hat. Dass man viele der Hitzetoten verhindern könnte, zeige das Beispiel Frankreich, berichtet er.
In Frankreich lösen Temperaturen ab 32 Grad bereits die erste Alarmstufe in Kommunen und Gesundheitswesen aus, ab 38 Grad wird der Zivilschutz aktiv. Die einzelnen Präfekturen reagieren dann auf der Basis eines nationalen Hitzeschutzplanes. „Warum geht das nicht in Deutschland?“, so Krolewski.
Im Nachbarland Frankreich sind Städte und Regionen außerdem verbindlich an den nationalen Wetterdienst angeschlossen – im Gegensatz zu Deutschland. Hierzulande gibt es zwar seit 2005 ein bundesweites Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes mit Kanälen zu Alten-und Pflegeeinrichtungen, Landesministerien oder zuständigen Gesundheits-und Aufsichtsbehörden.
Doch in der Praxis funktioniere das System nur eingeschränkt und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, erklärt Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes.
„Die Hitzewarnungen sollten bei allen Betroffenen, Pflegenden und Multiplikatoren ankommen. Alle Informationskanäle, wie Newsletter oder auch Teletext sollten genutzt werden. Hitze betrifft nicht nur ältere Menschen, sondern alle“, betont er.
Kritisiert wird von den Organisationen auch, dass es in Deutschland an Aufklärung und Verhaltensempfehlungen für Risikogruppen mangele, etwa für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern oder Betreuerinnen in Schulen und Kitas. Auch Gebäudeanpassungen in Kliniken, Heimen und Arztpraxen – wie Thermoschutz, Begrünung oder Trinkwasserspender – seien nur selten zu finden.
In der aktuellen Situation besonders prekär: Von den Folgen des Hitzestresses, der starken UV-Strahlung und der hohen bodennahen Ozonbelastung sind vor allem ältere Menschen und chronisch Kranke betroffen. Damit überschneiden sich die Risikogruppen der Hitzewelle und der Coronapandemie – eine zusätzliche Belastung für das Gesundheitssystem.
Informationsmaterialien für diese besondere Herausforderung haben Experten des Helmholtz Zentrums München, des Universitätsklinikums Heidelberg und von KLUG zusammengestellt. Sie geben allgemeine Hinweise für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen, für Ärzte, für Pflegeheime und für medizinisches Personal, das bei großer Hitze in Schutzausrüstung arbeiten muss.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: