Hälfte der Deutschen akzeptiert Ohrfeigen und Klapse in der Erziehung

Berlin – Die „Tracht Prügel“ in der Erziehung von Kindern lehnt der größte Teil der Bevölkerung in Deutschland ab. Vermeintlich leichtere körperliche Strafen aber, wie den „Klapps auf den Po“ oder die Ohrfeige werden jedoch von mehr als der Hälfte der Bevölkerung immer noch akzeptiert. Und das, obwohl vor 20 Jahren in Deutschland das Recht eines jeden Kindes auf gewaltfreie Erziehung in Kraft getreten ist.
Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 2.500 Menschen zu ihren Einstellungen zu Körperstrafen und Erziehungsverhalten, die Wissenschaftler der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm im Auftrag von Unicef und dem Kinderschutzbund durchgeführt hat. Die Ergebnisse wurden heute anlässlich des internationalen Tags der Kinderrechte bei einer digitalen Pressekonferenz vorgestellt.
„Auch die Ohrfeige und der Klaps auf den Hintern sind ein Angriff auf die Würde des Kindes. Denn Gewalt hinterlässt immer Spuren auf Körper und Seele“, sagte Christian Schneider von Unicef. Es brauche deshalb mehr als ein Gesetz zur Ächtung von Gewalt. Nötig sei ein „gesellschaftlicher Kraftakt“, um das Bewusstsein in der Bevölkerung zu stärken dafür, dass Gewalt gegen Kinder, auch emotionale Gewalt, grundsätzlich tabu sein muss. Dafür wolle Unicef sich einsetzen.
Der Leiter der Befragung, Jörg Fegert, Professor an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm, zeigte sich besorgt darüber, dass „leichtere“ Strafen und Gesten in der Erziehung von Kindern immer noch akzeptiert werden. Auch der Einstellung „das hat noch keinem Kind geschadet“ stimmten noch viele Befragte zu.
Bei Männern ist die Zustimmung zu Körperstrafen der Befragung zufolge höher als bei Frauen. Männer bejahten auch häufiger die Aussage, dass Köperstrafen nicht schaden. Je jünger die Befragten waren, desto häufiger lehnten sie den Einsatz von Körperstrafen ab.
Keine Unterschiede gibt es aufgrund der Nationalität der Befragten. Diejenigen, die selbst in der Kindheit Gewalt in der Erziehung erlebt hatten, bejahten die Zustimmung zu körperlicher Gewalt deutlich häufiger.
Darüber hinaus sprach sich der Kinder- und Jugendpsychiater Fegert dafür aus, dass Gewalt nicht nur als körperliche Gewalt verstanden wird. „Auch emotionale Gewalt muss in den Fokus.“ Dazu gehörten beispielsweise Anschreien, Ignorieren oder auch Zimmerarrest.
Besonders belastend sei „eine allgemeine Verachtung des Kindes, oder eine permanente Schuldzuweisung in dem Sinne ‚wegen dir geht es uns so schlecht, konnte ich nicht…‘“. Kinder die so aufwachsen, hätten später „enorme Probleme mit dem Selbstwert“.
Die Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes, Ekin Deligöz, forderte eine nachhaltige Aufklärungskampagne in der Bevölkerung: „Wir müssen einen Kulturwandel hinkriegen, denn die Zahlen von Gewalt an Kindern stagnieren auf hohem Niveau. Dazu gehört auch, die Kinderrechte in der Verfassung zu verankern“, forderte sie am Tag der Kinderrechte.
Während der Coronapandemie habe es nochmal einen deutlichen Zuwachs von Anrufen von Kindern in Not bei der „Nummer gegen Kummer“ gegeben. „Wir brauchen darüber hinaus mehr systematische Datenerhebungen für Prävention und Intervention, wie die jetzt vorgestellte“, forderte Deligöz.
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