Hitzeaktionstag: Gefahren durch Hitze ernster nehmen

Berlin – Ein breites gesellschaftliches Bündnis hat anlässlich des morgigen Hitzeaktionstages dazu aufgerufen, die Gefahren von Hitze für den menschlichen Körper noch ernster zu nehmen. „Hitze ist das größte durch die Klimakrise bedingte Gesundheitsrisiko in Deutschland“, betonten die Bündnispartner.
„Sie kann für alle gefährlich werden und das Risiko wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Doch das Bewusstsein für die Gefahren von Hitze und die Maßnahmen zum Schutz, insbesondere für gefährdete Personen, sind in der Bevölkerung und in der Politik noch unzureichend.“ Der Hitzeaktionstag solle einen Beitrag dazu leisten, das zu ändern.
Dem Bündnis gehören unter anderem die Bundesärztekammer (BÄK) an, die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (Klug), der Deutsche Pflegerat und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), aber auch viele Organisationen außerhalb des Gesundheitswesens wie die Bundesarchitektenkammer und der Deutsche Olympische Sportbund.
„Hitzewellen gefährden Menschenleben – und sie werden häufiger, länger und intensiver. Darauf müssen wir uns vorbereiten“, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt heute vor Journalisten in Berlin. „Was Deutschland dringend braucht, sind verbindliche Hitzeschutzpläne, klare Zuständigkeiten und gezielte Unterstützung für besonders gefährdete Menschen.“
Zugleich wies Reinhardt darauf hin, dass von Hitze nicht nur eine Gefahr für alte Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen ausgehe, sondern für alle. Auch die Gesundheit des 45-jährigen gesunden Mannes, der bei Hitze draußen auf dem Feld oder auf dem Bau arbeite, sei bei großer Hitze gefährdet. „Der Grad der Gefährdung nimmt bei alten und vorerkrankten Menschen zu, aber eine Gefährdung geht von großer Hitze für jeden aus“, sagte Reinhardt.
Der Präsident von Klug, Martin Herrmann, erklärte, dass es bei Hitzeschutz nicht darum gehe, „den Sommer zu vermiesen“. „Wir dürfen uns weiterhin auf den Sommer freuen“, sagte Herrmann. „Aber wir müssen verstehen, welche gesundheitlichen Risiken von Hitze ausgehen. Wir müssen wissen, wann es gefährlich wird und wie wir uns schützen können.“ Und da seien viele Menschen in Deutschland noch schlecht aufgestellt.
„Bei Überschwemmungen wissen die Menschen, dass sie ihre Häuser verlassen müssen“, sagte Herrmann. Bei Hitze wüssten aber viele noch nicht, dass ihre Wohnungen zu Hitzefallen werden könnten. „Manche Wohnungen werden dann so heiß, dass sie nicht mehr bewohnbar sind“, betonte Herrmann. „Dann müssen die Menschen diese Räume verlassen.“ Denn man könne sie bei starker Hitze nicht angemessen herunterkühlen.
Von Hausärztinnen und Hausärzten höre er zunehmend, dass abends Kinder mit Kopfschmerzen zu ihnen kämen, die sich erbrochen hätten, nachdem sie tags bei Hitze an einer Sportveranstaltung teilgenommen haben. „Viele Sportturniere finden im Sommer statt, vielleicht noch auf Kunstrasen“, sagte Herrmann.
„Und ein Großteil der Übungsleiter hat die Gefahr durch Hitze noch nicht in ihrer Schärfe verstanden. Wenn die Pädiater die Trainer auf das Problem ansprechen, hören sie: Wir können das Turnier doch jetzt nicht absagen. Wir haben in der Gesellschaft noch nicht verstanden, wie gefährlich Hitze für die menschliche Gesundheit sein kann.“
Als weiteres Beispiel nannte er den Arbeitsplatz. „Arbeitsmediziner haben mir erzählt, dass sie Probleme damit hätten, eine Stadtverwaltung dazu zu bringen, die Arbeitszeit von Müllarbeitern bei Hitze in die frühen Morgenstunden zu verschieben“, sagte Herrmann. Wenn Müllarbeiter aber acht Stunden in einer Hitzeperiode draußen arbeiteten, sei ihre Gesundheit gefährdet.
Hitzeschutz bei Neubauten berücksichtigen
Das Bündnis hat heute seine politischen Forderungen für ein hitzeresilientes Deutschland vorgestellt. „Die Anpassung an den Klimawandel muss bei Investitionen grundsätzlich berücksichtigt werden“, betonen sie dabei. „Hitzeschutz muss bei Investitionen in Infrastruktur, bei Neubau, Instandhaltung und Sanierung von Gebäuden sowie dem Umbau von Städten grundsätzlich berücksichtigt werden.“ Dies sei in den Rahmen des Sondervermögens Infrastruktur und in die Wärmewende zu integrieren.
Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG, Henriette Neumeyer, erklärte, dass sich immer mehr Krankenhäuser mit dem Hitzeschutz und der Erarbeitung von Hitzeschutzplänen befassten. Dafür müssten die Krankenhäuser Anpassungsmaßnahmen umsetzen wie Sonnensegel oder Verschattungen.
Zudem müssten die Krankenhäuser zum Beispiel in eine bessere Dämmung ihrer Gebäudehülle investieren, um ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. „Wir brauchen dafür einen Transformationsfonds, der die Krankenhäuser bei der Finanzierung dieser Ausgaben unterstützt“, forderte Neumeyer.
Auch Herrmann kritisierte, dass der Hitzeschutz in die Bauwende noch nicht integriert sei. „Das ist ein Kunstfehler“, sagte er. Wenn schon Milliarden Euro im Rahmen der Bauwende eingesetzt würden, müsse der Hitzeschutz zwingend mit berücksichtigt werden. In vielen Baurichtlinien stehe heute aber noch drin, dass Hitzeschutz nicht priorisiert werden müsse. „Das müssen wir schnell ändern“, sagte Herrmann.
Darüber hinaus fordert das Bündnis „ein umfassendes Klimaschutzsofortprogramm zur Einhaltung der gesetzlich verankerten Klimaschutzziele“. Vorausschauender und nachhaltiger gesundheitlicher Hitzeschutz beginne mit der langfristigen Eindämmung der Klimakrise, betonen die Bündnispartner.
„Deutschland ist verfassungsrechtlich und durch internationale Abkommen verpflichtet, das Klima und damit die Menschen zu schützen. Dazu gehört es, das Gesundheitssystem klimaresilient, klimaneutral und nachhaltig weiterzuentwickeln.“
Deutschland befinde sich jedoch noch nicht auf Kurs. „Für einen gesundheitsförderlichen und sozial gerechten Klimaschutz sind entschlossene Maßnahmen notwendig“, heißt es in der Forderung. „Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommt und ein gesundheitsförderliches, langfristiges und sozial gerechtes Klimaschutzprogramm vorlegt.“
Zudem müsse die Entwicklung, Umsetzung und Anpassung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit als verbindlicher Teil der Klimaanpassungskonzepte als kommunale Aufgabe gesetzlich verankert werden.
„Damit kommunale Hitzeaktionspläne wirkungsvoll umgesetzt werden können, benötigen die Kommunen finanzielle und personelle Unterstützung von Bund und Ländern sowie umsetzungsorientierte Vernetzungs- und Beratungsangebote“, erläuterten die Bündnispartner. „Der öffentliche Gesundheitsdienst kann hierbei als Knotenpunkt und steuernde Einheit wirken.“
Opferzahlen werden steigen
Herrmann wies darauf hin, dass die Gefahren durch Hitze mit jedem Jahr weiter ansteigen würden. „Wir müssen Szenarien erwarten, in denen wir weit extremere Hitzeereignisse erleben, als wir sie heute kennen“, sagte er. „Mit deutlich höheren Opferzahlen – auch, weil durch den demografischen Wandel die Risikopopulation größer werden wird. Wir müssen deshalb schon heute Katastrophenszenarien durchdenken und uns nicht nur darauf vorbereiten, was wir heute kennen.“
Mittlerweile seien über 100 Organisationen in dem Bündnis für mehr Hitzeschutz zusammengeschlossen, sagte BÄK-Präsident Reinhardt. Damit sei das Bündnis in seiner Breite und Vielfalt im Hinblick auf die Repräsentanz der Gesellschaft ziemlich einzigartig. Reinhardt wies darauf hin, dass am morgigen Hitzeaktionstag überall in Deutschland dezentrale Aktionen stattfinden, um die Menschen auf die gesundheitlichen Gefahren durch Hitze aufmerksam zu machen.
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