Illegale Drogen: Kokainkonsum steigt vor allem bei Männern

Berlin – Einen steigenden Konsum von Kokain sowie anderen Stimulanzien zeigt der heute veröffentlichte REITOX-Jahresbericht der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) zur Situation illegaler Drogen in Deutschland.
Innerhalb von sechs Jahren ist demnach der Anteil der Erwachsenen zwischen 18 und 59 Jahren, die mindestens einmal im Jahr Kokain konsumiert haben, von 0,6 Prozent (2015) auf 1,6 Prozent (2021) gestiegen.
„Leicht gestiegen ist auch der Anteil von Beratungen und Behandlungen wegen Kokain – ambulant wie stationär, denn Kokainkonsum ist verbunden mit einem erhöhten Risiko für Psychosen, Suizidalität und Herz-Kreislauf-Problemen“, berichtete Esther Neumeier, Leiterin der DBDD. Die meisten der Konsumierenden seien Männer.
Die Sicherstellungen von Kokain durch Polizei und Zoll erreichten ebenfalls einen Rekordwert: Wurden 2017 noch acht Tonnen Kokain in Deutschland sichergestellt, waren es 2023 bereits 43 Tonnen. Diese enorme Zunahme von reinem Kokain am Markt bei relativ gleichbleibenden Preisen sei ein Grund für den zunehmenden Konsum.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, wies darüber hinaus auf eine „zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft von kriminellen Drogenbanden“ hin.
Im Zentrum des Marktes stehe dabei Kokain wegen der hohen Gewinnmargen. „Die Banden unterwandern den Rechtsstaat. Wir dürfen dabei nicht tatenlos zuschauen“, sagte er. Die Bekämpfung des illegalen Drogenhandels müsse erfolgreicher werden, mit einem klaren Fokus auf die organisierte Kriminalität.
Eine Folge des hohen Anteils an billigem Kokain am Markt ist nach Angaben von Blienert auch der zunehmende Crackkonsum in deutschen Großstädten. Crack wird aus Kokain und Natron beziehungsweise Ammoniak meist von den Konsumierenden selbst hergestellt. Die Zahlen seien zwar gering und auch nicht wissenschaftlich verifizierbar, aber eine Belastung im öffentlichen Leben durch die offene Drogenszene.
„Crackkonsumierende verwahrlosen und verelenden sehr schnell und ihre gesundheitliche Situation ist katastrophal“, sagte der Drogenbeauftragte. Aktuell gebe es allerdings noch keine evaluierten Behandlungsoptionen für Betroffene; nur experimentelle Ansätze aus Amsterdam und Zürich mit substituierenden Substanzen zur Stabilisierung der Suchtkranken seien bekannt.
Als dritte zunehmende Substanz auf den Märkten und im Konsum stellten Neumeier und Blienert synthetische Opioide heraus, also Fentanyl, Oxicodon, Tilidin und Tramadol. Überdosierungen mit diesen Substanzen seien häufig.
Der Drogenbeauftragte setzte den Anstieg der Stoffe in Zusammenhang mit der Reduktion des Mohnanbaus durch die Taliban in Afghanistan. Dadurch gebe es nicht mehr so viel Heroin auf den Märkten. „In der Analyse sind wir hier noch nicht gut aufgestellt, es gibt kaum Zahlen“, sagte Neumeier.
Die Zahl der Drogentoten liege mit 2.227 Fällen im Jahr 2023 auf dem höchsten Wert seit der Datenerfassung, erinnerte der Drogenbeauftragte. In zwei Dritteln aller Drogentodesfälle sei mehr als eine psychoaktive Substanz festgestellt worden – der Mischkonsum sei besonders gefährlich.
„Die Lage ist ernst. Wir dürfen Drogenkonsumierende und Suchtkranke nicht weiter an den Rand der Gesellschaft schieben oder gar ins Unsichtbare. Wir brauchen einen gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungsträgern für mehr Prävention, mehr Gesundheitsschutz und eine noch zielgenauere Beratung und Therapie“, forderte Blienert.
Das Suchthilfesystem in Deutschland sei zwar noch gut ausgestattet, es müsse jedoch zukunftsfest gemacht werden. Er forderte mehr Drug-Checking-Angebote sowie Drogenkonsumräume in allen Bundesländern.
„Wir brauchen zukünftig neben den Langzeittrends, mit denen wir die Gesamtsituation wissenschaftlich einschätzen, auch schnellere Wege, um neue Informationen zu gewinnen. Dafür notwendig sind mehr und schnellere toxikologische Analysedaten bei Vergiftungen und Todesfällen, aber auch zu aufgefundenen Substanzen“, sagte die DBDD-Leiterin Neumeier.
Notwendig sei auch eine engere Vernetzung aller Akteure im Bereich der illegalen Substanzen, auf nationaler Ebene und lokal vor Ort – von der Strafverfolgung über das Hilfesystem, bis hin zu den Konsumierenden selbst.
Der REITOX-Bericht bietet einen vollständigen Überblick über das Konsumverhalten in der Altersgruppe der Zwölf- bis 64-Jährigen. Darüber hinaus zeigt er die aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Prävention, Beratung, Behandlung, Schadensminderung und Angebotsbekämpfung mit Blick auf illegale Drogen in Deutschland auf und bietet entsprechende Hintergrundinformationen.
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