Immer größere Kluft zwischen armen und reichen Regionen

Berlin – Reicher Süden, armer Osten und besonders armes Nordrhein-Westfalen: So beschreibt der Paritätische Gesamtverband in seinem neuen Armutsbericht die Lage in Deutschland. „Die Kluft zwischen Wohlstandsregionen auf der einen und Armutsregionen auf der anderen Seite wächst stetig und deutlich, und der Graben verläuft längst nicht mehr nur zwischen Ost und West“, erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider heute.
Der Untersuchung zufolge ging zwar die Armutsquote in Deutschland von 15,8 Prozent im Jahr 2017 auf 15,5 Prozent im Jahr 2018 zurück. Damit lebten rechnerisch 210.000 Menschen weniger unterhalb der Armutsgrenze. Doch in gut einem Viertel der 95 untersuchten Regionen sei die Armut in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 20 Prozent gestiegen, beklagte der Paritätische.
Das Ruhrgebiet bleibe mit einer Armutsquote von 21,1 Prozent bei 5,8 Millionen Einwohnern „Problemregion Nummer eins“ erklärte der Verband. Sorgen bereite auch Hessen – in dem Bundesland sei die Quote seit 2008 von 12,7 auf 15,8 Prozent gestiegen. Bundesweit zeige außerdem die Altersarmut eine „besondere Dynamik“. Auch lebe jedes fünfte Kind in Armut.
Süden vergleichsweise reich
Vergleichsweise gut sieht es den Angaben zufolge im Süden der Republik aus. Für Bayern und Baden-Württemberg ergebe sich eine gemeinsame Armutsquote von 11,8 Prozent. In Nordrhein-Westfalen liegt sie demnach bei 18,1 Prozent, in den Ost-Bundesländern zusammen bei 17,5 Prozent.
Der Paritätische forderte einen „Masterplan zur Armutsbeseitigung“. Dieser müsse „die Politikfelder Arbeit, Wohnen, Alterssicherung, Pflege, Gesundheit, Familie, Bildung und Teilhabe“ umfassen. Konkret verlangt der Verband unter anderem einen Mindestlohn von 13 Euro pro Stunde und die Einführung einer Kindergrundsicherung.
Der Hartz-IV-Regelsatz soll von 424 auf 582 Euro erhöht werden; außerdem müssten die Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher abgeschafft werden. Die Pflegeversicherung soll nach dem Willen des Verbands so umgebaut werden, dass Pflegebedürftige und deren Angehörige keine oder nur noch deutlich reduzierte Eigenanteile zahlen müssen.
Der Paritätische stützte sich in seiner Untersuchung auf Daten des Statistischen Bundesamts aus dem sogenannten Mikrozensus. Als arm wird dabei jemand definiert, der weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Dabei werden auch staatliche Leistungen wie Wohngeld und Kindergeld mit berücksichtigt.
Brandenburgs neue Sozialministerin Ursula Nonnenmacher (Grüne) erklärte angesichts des Berichtes, es sei zwar eine ermutigende Nachricht, dass Brandenburg nach einem kontinuierlichen Rückgang der Armutsquote inzwischen auf Platz 3 im Länder-Ranking liege. Eine Entwarnung sei das aber nicht. Besonders bedrückend sei das Ausmaß von Kinderarmut.
Um gegenzusteuern brauche es in Deutschland „dringend eine einheitliche, sachgerechte und armutsfeste Kindergrundsicherung“, sagte sie. Das Thema sei bei der vergangenen Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder im November diskutiert worden. „Bis Ende 2020 wird ein umsetzungsfähiges Gesamtkonzept der Länder vorliegen. Dann ist der Bund gefordert, das in die Tat umzusetzen“, sagte sie.
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