Vermischtes

KI-Modelle sollen Versorgung mit Blutkonserven verbessern

  • Donnerstag, 5. September 2024
/crevis, stock.adobe.com
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Düsseldorf – Jedes Jahr müssen Tausende Blutkonserven entsorgt werden. Bessere Prognosen, wo wann welche Blutprodukte gebraucht werden und eine noch gezieltere Zuordnung an Patienten versprechen digitale Lösungen.

Anhand von Daten könnten Modelle auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) etwa regionalen Bedarf ermitteln und Risikofaktoren durch bestimmte Erkrankungen einbeziehen, erklärte der Transfusionsmediziner Peter Horn vom Universitätsklinikum Essen gestern im Vorfeld der Jah­restagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, die kommende Woche in Düsseldorf stattfindet.

Ein Beispiel ist das digitale Logistikmanagementtool Autopilot, das aktuell in der Universitätsmedizin Essen im Einsatz ist. In der Lernphase des Tools wurde das System mit den Daten von mehreren Zehntausenden Patientinnen und Patienten gefüttert, berichtete der Projektleiter Horn. Und weiter: „Wir sind im Gespräch mit anderen Universitätskliniken, die sehr großes Interesse daran haben.“

Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) sank die Verfallsrate von Blutprodukten im Jahr 2022 von 2,4 % auf 1,7 % bei den Herstellern, bei den Anwendern ging die Verfallsrate von 3,7 % auf 3,5 % zurück. Hierbei habe es sich um die niedrigs­ten Verfallsraten innerhalb der vergan­genen zehn Jahre gehandelt, teilte Horn mit.

Der Verfall von kurz haltbaren Thrombozyten­konzentraten (TK) war dabei mit rund 14 Prozent (88.461 von 638.515 hergestellten TK) noch deutlich höher als der von Erythrozytenkonzentraten (EK). Daraus ergebe sich basierend auf deren Marktwert ein volkswirtschaftlicher Schaden durch verworfene TK in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro pro Jahr, erklärte Horn. Eine noch bessere Bedarfsprognose soll helfen, die Verfallsraten zu senken.

Während man bei Erythrozyten noch sehr weit entfernt sei von KI-generierten Vorhersagen, gelänge dies bei TK bereits gut, sagte Horn und verwies auf mehrere Publikationen dazu (Blood 2023; DOI: 10.1182/blood.2023021172; Transfus Med Hemother 2023; DOI: 10.1159/000528428; Blood 2023; DOI: 10.1182/blood.2023022981).

Es handle sich um den ersten auf Deep Learning basierenden Prädiktor für Thrombozytentransfusionen, der individualisierte 24-Stunden-Risikobewertungen ermögliche, schreiben die Autorinnen und Autoren um Mer­lin Engelke und Felix Nensa vom Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin an der Universitätsmedizin Essen.

Die besten Vorhersagen gelangen bei Hämatologie- und Onkologiepatienten gefolgt von einem multidis­ziplinären Modell, das alle anderen Patienten abdeckt. Am ungenausten war die Vorhersage in der Herz-Thorax-Chirurgie, wahrscheinlich aufgrund unerwarteter Blutungen während der Operation, vermutet das Team aus Essen.

Transfusionsregister ReMeDi:Blut noch im Aufbau

Verbessert werden müssen laut Horn auch Monitoringsysteme, die eine bessere Zuordnung von Blutspenden zu Empfängern bieten. Aus Forschungsregistern wiederum lasse sich beispielsweise lernen, welche Patienten mit welcher Diagnose wie auf ein Blutprodukt reagiert haben, um diese künftig noch passgenauer zuordnen zu können.

Ein zentrales Register, in dem künftig alle in Deutschland vorgenommenen Transfusionen erfasst werden sollen, ist das transfusionsmedizinische Projekt ReMeDi:Blut. Die Fülle der hier hinterlegten Informationen sei aber nur mithilfe von KI beherrschbar, ist der Transfusionsmediziner überzeugt.

Die bisherige, manuelle Blut­produktezuordnung, die nur auf wenigen Kriterien basiere, sei äußerst personal­aufwendig. „Alle 45 bekannten Blutgruppensysteme zu berücksichtigen, ist auf herkömmliche Weise schlicht nicht leistbar.“

Das Register soll Blutprodukte daher wesentlich genauer charakterisieren und eine molekulargenetische Blutgruppenbestimmung durchführen. Damit diese Typisierung in großem Umfang stattfinden könne, müsse der Preis dafür vom aktuellen Eurobereich in den Centbereich sinken. Horn ist sich sicher, dass diese Preis­senkung innerhalb der nächsten paar Jahre erreicht werden wird.

Es könne allerdings noch eine Weile dauern, bis das Register für Ärztinnen und Ärzte verfügbar sein werde, sagte Horn. Eine genauere zeitliche Prognose für den Start könne er aktuell nicht machen.

Eine Herausforderung wird es nach Worten des Transfusionsmediziners Sven Peine sein, verstärkt auch junge Menschen für Blutspenden zu gewinnen. Dies sei angesichts des demografischen Wandels jedoch von ent­scheidender Bedeutung.

Insofern sei es nicht sinnvoll, über die Spendetauglichkeit auf telemedizinischem Weg zu entscheiden, wie es ein Referentenent­wurf des Bundesgesundheitsministeriums vorsieht: Entscheidend seien Vertrauen und fachlich fundierte Be­ratung.

In Deutschland werden täglich etwa 15.000 Blutkonserven benötigt. Der größte Anteil davon hilft Menschen mit Krebserkrankungen. Dem folgen Herzerkrankungen und Magen-Darm-Erkrankungen, erst dann kommen Unfälle, auch wenn hier meist besonders viele Blutkonserven benötigt werden. Laut Deutschem Roten Kreuz gab es im vergangenen Jahr drei Millionen Blutspendende.

kna/gie

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