McKinsey-Bericht: Deutsches Gesundheitswesen steht bei Digitalisierung noch am Anfang

Berlin – Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens arbeitet Deutschland immer noch an den Grundlagen. Vor allem im Austausch zwischen Ärzten und anderen Gesundheitseinrichtungen gebe es dringenden Nachholbedarf, erklärten die Autoren des ersten E-Health-Monitors der Unternehmensberatung McKinsey & Company, der heute in Berlin vorgestellt wurde.
Demnach kommunizierten 93 Prozent der niedergelassenen Ärzte hierzulande im vergangenen Jahr noch überwiegend in Papierform mit Krankenhäusern. Nur 44 Prozent der Gesundheitseinrichtungen wie etwa Krankenhäuser und Praxen tauschten Daten den Angaben zufolge digital aus.
Für ihren Bericht ließen die Autoren unter anderem eigene Erhebungen mit knapp 580 Befragten durchführen, zogen vorangegangene Eigenanalysen heran und bezogen Umfragedaten aus anderen Quellen.
Darunter das Praxisbarometer Digitalisierung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) oder Analysen vom Digitalverband Bitkom sowie von HIMSS, einer US-amerikanischen Non-Profit-Organisation, die sich darum bemüht, Gesundheitssysteme durch den Einsatz von IT und Management-Systemen effektiver zu gestalten.
Aus den Daten erstellte McKinsey eine Meta-Analyse zum derzeitigen Stand der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens mit den Schwerpunkten technische Infrastruktur, digitale Angebote und Nachfrage bei Gesundheitseinrichtungen sowie Nutzung digitaler Gesundheitsangebote.
Eine Analyse von Studien zum Thema eHealth aus den letzten zwanzig Jahren soll zudem einen Eindruck des potenziellen Nutzens von E-Health-Lösungen bieten. Es sei geplant einen solchen Bericht von nun an jährlich zu veröffentlichen, erklärten Laura Richter und Tobias Silberzahn, Partner und Associate Partner bei der Unternehmensberatung, die den eHealth Monitor 2020 vorstellten.
Sie zeigten sich optimistisch, dass sich schon beim nächsten Bericht Fortschritte zeigen könnten. „In den letzten Jahren gab es viele vielversprechende Gesetzentwicklungen, die werden in den nächsten Jahren Früchte tragen“, erklärte Richter. Bis Dato seien aber viele Bereiche auch noch nicht so weit, wie sie sein könnten.
So stellten 59 Prozent der ambulanten Ärzte und Physiotherapeuten ihren Patienten im Jahr 2019 keinerlei administrative Gesundheitsservices, wie etwas eine Onlineterminbuchung, zur Verfügung.
Anders sehe die Situation etwa bei den Krankenkassen aus, die den Versicherten dem Bericht zufolge bereits „eine breite Palette digitaler Services“ anbieten. Dazu zählten beispielsweise das Einreichen von Rechnungen und Erstattungen auf digitalem Wege.
Das wachsende Interesse an digitalen Gesundheitsanwendungen zeichne sich auch bei den Patienten ab. So habe sich die Anzahl der Downloads solcher Anwendungen vom ersten Quartal 2019 zum gleichen Zeitraum in 2020 auf zwei Millionen verdoppelt. „Auch wenn diese Anzahl im Verhältnis zur Menge der chronisch kranken Patienten in Deutschland, die solche Anwendungen potenziell nutzen könnten, noch immer klein ist“, so Silberzahn.
Dazu, welchen Nutzen E-Health-Anwendungen haben können, gebe es aber noch zu wenig Forschung, erklärten die Autoren basierend auf ihrer Studienanalyse. Von rund 14.500 Studien, die im Zeitraum zwischen 2010 und 2020 auf der wissenschaftlichen Datenbank pubmed aus Deutschland publiziert worden seien, hätten sich nur 158 mit dem Thema E-Health befasst.
Ein Großteil davon bescheinige digitalen Gesundheitsanwendungen positive Effekte, wie einen verbesserten Gesundheitsstatus der Patienten. Perspektivisch müssten mehr solcher Untersuchungen durchgeführt werden, forderte Silberzahn als ein zentrales Ergebnis des Berichts. „Je besser man den Nutzen solcher Anwendungen belegen kann, desto größer wird die Akzeptanz sein.“
Denn auch dieser Punkt sei häufig ein Hindernis für das schnellere Voranschreiten der Digitalisierung des Gesundheitswesens. „Es muss sichergestellt werden, dass jeder Stakeholder für sich einen messbaren Mehrwert sieht. Es darf kein Mehraufwand für nur eine Gruppe entstehen“, präzisierte Richter. Wenn all das gegeben sei, werde die Digitalisierung langfristig eine Eigendynamik entwickeln.
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