Medikation überfordert pflegende Angehörige

Berlin – Für mehr als 90 Prozent der älteren pflegebedürftigen Menschen in Deutschland gehört die Anwendung von Medikamenten zum Alltag. Häufig sind pflegende Angehörige für die Einhaltung des Medikationsplans verantwortlich – und fühlen sich damit überfordert. Das zeigt eine deutschlandweite Studie bei mehr als 1.000 pflegenden Angehörigen des Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP).
Danach übernehmen drei Viertel der befragten pflegenden Angehörigen regelmäßig Aufgaben in der Medikamentenversorgung. Dies empfinden 66 Prozent von ihnen als schwierig oder belastend. 77 Prozent aller Befragten berichten von Problemen im Medikationsprozess.
„Die Analyse unterstreicht, dass für viele der etwa 3,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland Angehörige eine zentrale Rolle bei der Sicherstellung eines richtigen Umgangs mit Medikamenten spielen“, sagte Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP. Oft sei dabei allerdings keine professionelle pflegerische Unterstützung eingebunden.
So gaben 64 Prozent der Studienteilnehmer an, dass keine Pflegekraft regelmäßig an der Versorgung beteiligt sei. „Es ist nicht trivial, Verantwortung für die richtige Medikamenteneinnahme zu tragen, zum Beispiel für Zeitpunkt und Dosis“, so Suhr. Schwierig werde es insbesondere, wenn die pflegebedürftige Person vielleicht schlecht greifen oder schlucken könne, die Medikamente immer wieder vergesse oder nicht einnehmen wolle. Dadurch drohe anhaltender Stress, der sich auch auf die Gesundheit der Angehörigen negativ auswirken könne.
Die Studienautoren haben die pflegenden Angehörigen auch um Angaben gebeten, ob und welche sicherheitsrelevanten Probleme sie im Medikationsprozess wahrgenommen haben. Von mindestens einem solchen Problem im letzten halben Jahr berichten 77 Prozent der Befragten.
Gut ein Drittel sagt, dies sei gelegentlich oder sogar oft passiert. Am häufigsten trat demnach auf: „Ein benötigtes Medikament war aufgebraucht“ (51 Prozent), „Ein Medikament wurde zum falschen Zeitpunkt angewendet“ (36 Prozent), „Pflegebedürftige Person lehnte Medikament ab“ (33 Prozent) und „Zweifel, ob das Medikament angezeigt war“ (32 Prozent).
„Wir müssen die Medikationssituation in der häuslichen Pflege als doppelte Präventionsgelegenheit verstehen. Hier bieten sich Chancen, die Gesundheit sowohl von pflegebedürftigen Menschen als auch von pflegenden Angehörigen besser zu schützen“, betonte der ZQP-Vorsitzende.
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