Vermischtes

Medizingeschichte: Neue Dauerausstellung in Ingolstadt

  • Donnerstag, 18. März 2021
Blick in den ehemaligen Anatomiesaal /Ulrich Rössle
Blick in den ehemaligen Anatomiesaal /Ulrich Rössle

Ingolstadt – Das Deutsche Medizinhistorische Museum (DMM) in Ingolstadt hat eine neue Daueraus­stellung mit rund 400 Exponaten eröffnet. Die Schau soll Ein­blick in die Geschichte der Heilkunst geben und für die Grenzen der Medizin damals und heute sensibili­sieren.

Die Neuauflage der alten, im Zuge einer Sanierung 2015 geschlossenen Ausstellung, wartet mit einem modernen Konzept auf. „Wir haben uns gegen die bisherige chronologische Darstellung entschieden und stattdessen das Gebäude und die Sammlungsobjekte ernst genommen“, erklärte DMM-Direktorin Marion Ruisinger. Früher habe das Museum eine positivistische Fortschrittserzählung geboten.

„Der Besucher ging mit der Botschaft heim, er lebe in der besten aller Welten. Das ist banal – das denkt jeder Mensch zu seiner Zeit.“ Ruisinger will nun vermitteln: „Die Medizin hat in sich immer funktioniert.“ Das solle den Blick auf die Gegenwart relativieren und übersteigerte Heilungshoffnungen infrage stell­en. „Auch heute gibt es Grenzen. Der Mensch bleibt sterblich.“

Zu den Ausstellungsstücken zählen unter anderem ein Skelett siamesischer Zwillinge, ein Zyklopen­schä­del und Zeichnungen von Amputationen vor Narkosezeiten. Im Themenraum „Not lehrt beten“ sind bei­spielsweise Schluckbilder ausgestellt – geweihte Papierbögen mit Gnadenmotiven aus dem 19. Jahrhun­dert, von denen Erkrankte laut Beschreibung jeweils ein Bild ausschnitten, es unter ihr Essen mischten und wie eine Arznei schluckten.

Die Schau zeigt auch, dass das Aufschneiden von Leichen keineswegs durch die Kirche verboten wurde. „Ganz im Gegenteil: Der Mensch galt als Krönung der göttlichen Schöpfung. Das perfekte Zusammenspiel der Muskeln und Organe zeigte einmal mehr die Weisheit Gottes.“ So wird auch eine Wachsfigur von Jesus am Kreuz mit geöffneter Bauchdecke ausgestellt.

Der Zweck des etwa 300 Jahre alten Christus anatomicus ist indes unklar – eine Deutungsmöglichkeiten des Museums: Möglicherweise führt der Blick in das Körperinnere vor Augen, dass Gott in Christus ganz Mensch geworden ist.

Eine Würdigung erfährt zudem die Geschichte des fiktiven Ingolstädter Medizinstudenten Victor Fran­ken­­stein und seiner aus Fleischteilen geschaffenen Kreatur. Daneben finden Krankheitsmodelle von Sehorganen ebenso Platz wie sogenannte Taschenspuckflaschen, in die Tuberkulosekranke früher ihr Sputum entsorgten.

Die Dauerausstellung ist in den Räumen der Alten Anatomie. Informationen zu den aktuellen Einlass­regelungen finden sich auf der Webseite des DMM.

kk

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