Vermischtes

Myotone Dystrophie Typ 1 Grund für eine Präimplantations­diag­nos­tik

  • Donnerstag, 5. November 2020
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Leipzig – Das Bundesverwaltungsgericht hat deutlich gemacht, dass bei einem hohen Risiko für die Vererbung einer speziellen schweren Krankheit eine Präimplantationsdiag­nos­tik (PID) erlaubt sein kann.

Das entschied das höchste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig heute im Fall einer Frau, deren Partner an der Muskelkrankheit Myotone Dystrophie Typ 1 leidet. Die Richter bekräftigten aber, dass über eine PID in jedem Fall gesondert zu entscheiden sei (Az.: BVerwG 3 C 12.19).

Bei einer PID werden künstlich befruchtete Embryone vor einem eventuellen Einsetzen in die Gebärmutter auf schwere Erbkrankheiten untersucht. 2018 wurde eine solche Unter­suchung Zahlen der Bundesregierung zufolge 319-mal genehmigt. Sie ist in Deutschland nur unter strikten Voraussetzungen erlaubt.

So muss ein hohes Risiko für eine Fehl- oder Totgeburt oder eine schwere Erbkrankheit bestehen. Der Gesetzgeber verzichtete zur Vorbeugung von Diskriminierung darauf, einen Katalog dieser Krankheiten aufzustellen. Stattdessen muss vor jeder PID eine Ethikkom­mis­sion den Antrag prüfen und zustimmen.

Im Fall der Klägerin stimmte die Bayerische Ethikkommission für PID einer solchen Un­ter­suchung nicht zu. Für Kinder des Paares bestehe kein hohes Risiko einer schwerwie­gen­den Erbkrankheit, hieß es.

Die Frau zog deshalb vor Gericht, doch das Münchner Ver­waltungsgericht und der Bayeri­sche Verwaltungsgerichtshof (VGH) wiesen ihre Klage ab. Der VGH entschied im März 2019, dass eine PID nur bei einer Erbkrankheit von der Schwere einer Muskeldystrophie Duchenne vorgenommen werden dürfe. Davon Betroffene sterben meist im jungen Alter.

Diese Krankheit könne aber nicht der Maßstab für die Entscheidung sein, urteilte das Bun­desverwaltungsgericht nun. Stattdessen müsse in jedem Fall einzeln entschieden werden. Die Ethikkommission habe dabei keinen Beurteilungsspielraum, ihre Entschei­dung unterliege der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit.

Im konkreten Fall liege die Voraussetzung des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit vor, entschieden die Leipziger Richter. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder des Paares an Myotoner Dystrophie Typ 1 erkrankten, liege bei 50 Prozent. Erkrankte müssten „mit erheblichen Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung“ und einer gerin­geren Lebenserwartung rechnen.

Myotone Dystrophie Typ 1 bricht meist im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter aus. Betroffene leiden an Muskelschwäche, Schmerzen und Krämpfen in verschiedenen Kör­per­teilen. Auch das Herz, die Augen und das zentrale Nervensystem können betroffen sein.

Bei der Entscheidung über eine PID müsste die Kommission – wenn nicht klar sei, ob die genetische Disposition ausreichend schwer wiege – weitere Gesichtspunkte berücksich­ti­gen, erklärte das Bundesverwaltungsgericht.

Dazu gehörten etwa schon existierende Kinder mit einer schweren Erbkrankheit, ein früherer Schwangerschaftsabbruch nach einer Pränataldiagnostik oder die Erkrankung eines Elternteils. Dass der Partner in diesem Fall selbst Symptome zeige, käme also erschwerend hinzu. Das Gericht verpflichtete den Freistaat Bayern darum dazu, der Frau die PID zu genehmigen.

afp

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