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Urteil: Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung nicht von der Stange

  • Montag, 10. Oktober 2022
/amazing studio, stock.adobe.com
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Celle – Bei der Hilfsmittelversorgung von Menschen mit Behinderung müssen die Krankenkassen die Wün­sche und gesundheitlichen Möglichkeiten der Betroffenen berücksichtigen. Das betonte das Landessozial­gericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem heute bekanntgegebenen Urteil.

Danach dürfen die Kassen einem Querschnittsgelähmten nicht einen Elektrorollstuhl aufzwingen, wenn die­ser für seinen handbetriebenen Rollstuhl nur eine elektrische Unterstützung wünscht und benötigt (Az: L 16 KR 421/21).

Der 49-jährige Kläger will trotz seiner Querschnittslähmung und weiterer Krankheiten möglichst fit bleiben. Er hatte daher bislang einen normalen handbetriebenen Aktivrollstuhl und ein Handbike, ein mit Handkurbel betriebenes Zuggerät. Als dann doch die Kräfte nachließen und Beschwerden in der Schulter auftraten, be­antragte er ein solches Zuggerät mit elektrischer Unterstützung.

Der Krankenkasse war das zu teuer. Seine „Basismobilität“ könne auch mit einem normalen Elektrorollstuhl gesichert werden – und der koste nur rund die Hälfte. Der 49-Jährige lehnte dies ab. Eine rein passive Fort­be­wegung komme für ihn nicht infrage. Sogar der Medizinische Dienst der Krankenkassen habe das in seinem Fall als „massive persönliche Zumutung“ bewertet.

Das LSG in Celle gab dem Kläger nun recht. Er benötige für den Nahbereich nur eine elektrische Unterstüt­zung. Die Krankenkasse dürfe ihn dann nicht gegen seinen Willen auf einen rein passiven Elektrorollstuhl verweisen.

Insgesamt dürfe das Grundbedürfnis der Erschließung des Nahbereichs, für das die Krankenkassen zuständig sind, „nicht zu eng gefasst werden“, betonte das LSG. Das ergebe sich aus einer an den Grundrechten und der UN-Behindertenrechtskonvention orientierten Auslegung der deutschen Gesetze.

„Dem Wunsch- und Wahlrecht des behinderten Menschen ist volle Wirkung zu verschaffen – dies bedeutet, dass die Leistung dem Leistungsberechtigten viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung der Lebensum­stände lässt und die Selbstbestimmung fördert“, heißt es in dem auch bereits schriftlich veröffentlichten Ur­teil.

afp

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