Warum viele Menschen Gesundheitsinformationen meiden

Berlin – Rund ein Drittel der Menschen meiden Informationen zu schweren Krankheiten, wenn sie fürchten, betroffen zu sein. Über dieses Studienergebnis und die Gründe für das Verhalten berichtet eine Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung im Fachjournal Annals of Behavioral Medicine (2025, DOI: 10.1093/abm/kaaf058).
Krankheiten früh zu erkennen, ist oft der Schlüssel für eine erfolgreiche Behandlung. Dennoch gehen zu wenige Menschen zu Vorsorge, Früherkennung oder Check-ups. Mangelnde Aufklärung oder hohe Kosten können das Verhalten vielfach nicht erklären: In Deutschland etwa weisen Krankenkassen ihre Versicherte auf entsprechende Angebote hin, die Kosten werden vielfach übernommen.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin haben nach den Gründen gesucht und dazu Daten aus 92 Studien mit 564.497 Teilnehmenden aus 25 Ländern inklusive Deutschland analysiert. Sie wollten wissen, wie weit verbreitet die Vermeidung medizinischer Informationen ist und welche Gründe Menschen dafür haben.
Die analysierten Studien umfassten unter anderem die Krankheiten Alzheimer, Huntington, HIV/Aids, Krebs und Diabetes. Als Informationsvermeidung definierten die Autoren „jede Form von Verhalten, die darauf abzielt, die Beschaffung verfügbarer, aber potenziell unerwünschter Informationen zu verhindern oder zu verzögern“.
Dazu gehört beispielsweise, Arztbesuche hinauszuzögern oder gar nicht erst wahrzunehmen, medizinische Tests nicht durchzuführen oder die Ergebnisse nicht zur Kenntnis zu nehmen, Aufklärungsmaterialien zu ignorieren.
Es zeigte sich: Fast ein Drittel der Studienteilnehmenden meidet medizinische Informationen oder wird sie wahrscheinlich meiden. Am höchsten war die Quote bei den beiden unheilbaren neurodegenerativen Krankheiten. Bei Alzheimer lag sie bei 41 Prozent, bei Morbus Huntington bei 40 Prozent.
Bei schweren, aber behandelbaren Krankheiten wie einer HIV-Infektion oder Krebs sank sie auf 32 respektive 29 Prozent. Mit 24 Prozent am geringsten ausgeprägt war das Vermeidungsverhalten bei Diabetes.
Das Forschungsteam hat zudem 16 Faktoren ermittelt, die ein Vermeidungsverhalten begünstigen. Die stärksten Prädiktoren waren demnach eine kognitive Überforderung, etwa bei Informationen zu einer Krebserkrankung, ein gering ausgeprägtes Gefühl der Selbstwirksamkeit und drittens die Furcht vor Stigmatisierung etwa durch einen positiven HIV-Test. Ein wichtiger Prädiktor war außerdem mangelndes Vertrauen in das medizinische System.
Das Geschlecht und die kollektive Identität („Ethnizität“) waren keine Prädiktoren für das Verhalten. Die Studienergebnisse bieten laut dem Forschungsteam wichtige Ansätze für politische Maßnahmen – sie sollten demnach gezielt auf die Themen Überforderung, Misstrauen ins Gesundheitssystem und Stigma fokussieren.
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