Vom Arztdasein in Amerika

Alternativmedizin: Großmundige Versprechen

  • Montag, 20. Mai 2019

Seit einigen Jahren bewege ich mich vermehrt auf dem Gebiet der komplementären und integrativen Medizin (CIM), die manche der Einfachheit halber als Alternativmedizin bezeichnen. Dieses Fachgebiet versteht sich als holistische oder ganzheitliche Medizin, die jeden einzelnen Menschen mit den verschiedensten Methoden heilen möchte. Das klingt doch erst einmal gut, oder? 

Doch wenn wir Schulmediziner ehrlich sind, dann ist das auch unser Ziel. Aber aus diversen Gründen heraus steckt die Schulmedizin aktuell in einer tiefen Krise und ist unter Beschuss. Hohe Kosten und wenig Zeit des Arztes für ein Patientengespräch sind nur ein Teil des Problemes, wie auch eine als anonym wahrgenommene Apparate- und Labormedizin. Das Problem ist so vielschichtig, dass ich seitenweise zu diesem Thema schreiben könnte. 

In den deutschsprachigen Ländern ist Alternativmedizin ein alter Hut, denn wir kennen schon seit vielen Jahrzehnten, zum Teil sogar Jahrhunderten, Heilkräuter, Homöopathie, Badekuren und vieles mehr. Akupunktur ist sehr beliebt, wie auch Hypnose, Nahrungs­ergänzungsmittel und diverse Kuraufenthalte. Aber eben nicht in den USA, und hier ist das Vorrücken dieser Behandlungsmethoden wirklich wie eine kleine Revolution.

Doch auch hier machen viele Kollegen in der Alternativmedizin den Fehler, den Schulmediziner und andere in der Vergangenheit gemacht haben: Man verspricht zu viel. Manche versprechen ein Leben bis 150, andere eine Heilung (fast) aller Leiden und andere wiederum eine lebenslange Verjüngung. Gut, etwas Optimismus und Euphorie ist angebracht angesichts eines tatsächlich vorhandenen großen Potenzials, wie ich bestätigen kann: Mit einfachen Veränderungen kann man viel Positives bewirken. Dennoch wünsche ich mir doch etwas mehr Nüchternheit und Sachlichkeit. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur zu deutsch, wenn ich mir das wünsche.

Denn wie sonst will man diese reichen Praxen in Los Angeles, New York oder Miami am Laufen halten, wenn man nicht großmundig kleine (oder große) Wunder verspricht? Ich bin mittlerweile lange genug Teil dieser Gemeinschaft, um zu wissen, dass man zum Teil vierstellige Beträge für eine Konsultation bezahlen muss. Und wer würde schon 2.000 US-Dollar bezahlen, wenn man ihn mit einfachen Ratschlägen abspeist? Nein, dann lieber einige Superkapseln, Darmreinigungen, eine Injektion mit Stammzellen und das Versprechen, bis 150 – wahrscheinlich, denn man darf aus juristischen Gründen nie etwas zu 100 Prozent versprechen – zu leben, oder? Da ist die Rechnung dann Nebensache.

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