Politik

SARS-CoV-2: Zahl der Infizierten in Deutschland erhöht sich weiter

  • Freitag, 28. Februar 2020
Der Krisenstab der Bundesregierung kommt zu seiner Sitzung zusammen, um über weitere Vorkehrungen gegen das neue Coronavirus Sars-CoV-2 zu beraten. /picture alliance, Kay Nietfeld
Der Krisenstab der Bundesregierung kommt zu seiner Sitzung zusammen, um über weitere Vorkehrungen gegen das neue Coronavirus Sars-CoV-2 zu beraten. /picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 breitet sich aus. Experten gehen von einem dauerhaften Verbleib des Virus aus. Es zeichnet sich ab, dass Deutschland und die Welt mit dem neuen Coronavirus – wie mit der Grippe – leben müssen.

Bislang gibt es in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) mindestens 53 Nachweise von Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Davon sind mindestens 37 Fälle in den vergangenen Tagen bekannt geworden – hauptsächlich in den Bundes­ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, wie eine RKI-Liste zeigt.

Hinzu kommen nach einer Auswertung der Deutschen Presseagentur weitere Fälle in Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen sowie ein Infizierter in Schleswig-Holstein, der in Ham­burg arbeitet. Zudem gibt es 16 ältere Fälle, von denen die letzten am 11. Februar in Bayern bekannt wurden. Von ihnen ging keine weitere bekannte Ansteckung aus.

Allein in NRW sind derzeit geschätzt rund 1.000 Menschen in Quarantäne. Tausende Menschen täglich werden bundesweit auf das neuartige Virus getestet – allein in Bayern werden nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) derzeit täglich 1.200 Proben auf das neuartige Coronavirus untersucht.

Trotz der neuen Fälle sieht das RKI in Deutschland derzeit noch kein breites Krankheits­geschehen. Insgesamt bleibe es bei der Einschätzung, dass das Risiko gering bis mäßig sei, sagte der RKI-Vizedirektor Lars Schaade heute.

Der Virologe Christian Drosten erwartet in Deutschland eine der höchsten Fallzahlen Europas, „weil unsere Bevölkerung sehr reisefreudig ist“, wie der Experte von der Berliner Charité gestern Abend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ sagte. „Wir werden in den nächs­ten Tagen sehen, dass neue Fälle und kleine Fallgruppen wie die Pilze aus dem Boden schießen werden.“

In den Niederlanden wurde erstmals eine Infektion bestätigt. Damit sind in Europa nun mindestens 19 Länder betroffen, wie aus der Statistik des europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervorgeht. Laut RKI hat sich die Zahl der Fälle weltweit auf mehr als 83.000 Infizierte in 52 Ländern erhöht.

Die Schweiz griff heute zu einer drastischen Maßnahme und verbot alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern. Das Verbot soll bis mindestens 15. März gelten. Das be­trifft unter anderem den Genfer Autosalon, der am 5. März starten sollte und zu dem je­des Jahr mehr als 600.000 Besucher kommen. Ebenso trifft es die Basler Fasnacht, die an diesem Montag beginnen sollte.

Bei den Beratungen des Krisenstabs der Bundesregierung sollte es am heute Nachmittag laut Bundesgesundheitsministerium darum gehen, Kriterien zu Großveranstaltungen zu erarbeiten. Diese sollen örtlichen Behörden helfen, konkrete Maßnahmen zu treffen. „Eine Empfehlung wird es nicht geben“, sagte eine Sprecherin. „Die Entscheidung bleibt vor Ort.“ Dies gelte etwa auch für die Internationale Tourismusbörse (ITB), die in der kommenden Woche in Berlin ansteht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beriet mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) über die Lage und lässt sich weiter unterrichten, wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte. Oberstes Ziel sei, die Virus­aus­brei­tung einzudämmen sowie die Versorgung infizierter Menschen und die Informa­tion der Bürger sicherzustellen.

Die Bundesregierung sucht auch nach Lösungen, um Schutzausrüstung etwa für medizini­sches Personal verfügbar zu halten. „Wir müssen uns auf eine Knappheit in dem Bereich einstellen“, sagte Spahn (CDU) gestern bei „Maybrit Illner“. Daher solle geschaut werden, welche Lagerbestände es in Deutschland gebe.

Die meisten SARS-CoV-2-Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen oder gar keine Symptome. 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, hieß es vom RKI. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzün­dung. Nach bisherigen Zahlen sterben ein bis zwei Prozent der Infizierten, weit mehr als bei der Grippe.

In China, dem Ursprungsland des Virus, stieg die Zahl der Todesopfer und Infizierten wei­ter an. Wie die Pekinger Gesundheitskommission am Freitag mitteilte, lag die Gesamtzahl der offiziell bestätigten Fälle auf dem chinesischen Festland bei fast 79.000.

WHO: Sehr hohes Risiko weltweiter Verbreitung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat angesichts der wachsenden Zahl von Fällen das Risiko einer weltweiten Verbreitung des Virus von „hoch“ auf „sehr hoch“ gesetzt. Noch aber sei der Kampf gegen die Ausbreitung des neuartigen Virus SARS-CoV-2 nicht verloren, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf.

„Die Eindämmung beginnt mit jedem Einzelnen“, sagte er. „Zusammen sind wir stark. Unser größter Feind ist nicht das Virus. Unsere größten Feinde sind Angst, Gerüchte und Stigma. Was wir brauchen, sind Fakten, Vernunft und Solidarität.“ Die meisten Fälle seien bislang zu anderen Infizierten oder Regionen mit vielen Fällen zurückzuverfolgen. „Wir haben noch keine Hinweise, dass sich das Virus frei in der Bevölkerung überträgt“, sagte er.

Tedros wiederholte die Ratschläge der Gesundheitsdienste: unter anderem, dass sich alle Menschen stets gründlich die Hände waschen, sich über vertrauenswürdige Quellen in­formieren, sich im Fall von Unwohlsein von anderen fernhalten und Menschen, mit denen sie in Kontakt waren, informieren. Nach seinen Angaben sind etwa 20 Impfstoffe in der Entwicklung, zudem würden einige Medikamente getestet. Erste Ergebnisse gebe es in den kommenden Wochen.

dpa/afp/kna/may

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