Medizin

„Der ärztliche Praxisbetrieb kann genauso ablaufen wie zu jeder Grippesaison“

  • Freitag, 28. Februar 2020

Braunschweig – Die weitere Ausweitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Deutschland hat nach Angaben von Bundegesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine „neue Qualität“. So sei die Infektionskette teilweise nicht nachvollziehbar, und die Kontakte der infizierten Personen ließen sich nicht zurückverfolgen. Die Hoffnung, dass diese Epidemie an Deutschland vorbeigehe, werde sich nicht erfüllen. Die Bundesregierung hat deshalb einen Krisenstab gebildet. Wie beurteilt das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig die aktuellen Entwicklungen?

Gérard Krause, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, Abteilungsleiter Epidemiologie /dpa
Gérard Krause, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, Abteilungsleiter Epidemiologie /dpa

5 Fragen an den Abteilungsleiter Epidemiologie Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.

Deutsches Ärzteblatt: Müssen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ihren Praxisbetrieb umstellen angesichts der Zunahme an Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus?
Gérard Krause: Nein, der ärztliche Praxisbetrieb kann genauso ablaufen wie zu jeder Grippesaison, zumal jede Praxis verpflichtet ist, einen eigenen Hygieneplan zu erstellen. Dieser sollte unter anderem Regelungen zur Händehygiene, Haut- und Schleimhautantiseptik, Flächenreinigung und -desinfektion, zur Reinigung und Desinfektion von medizinischen Geräten, zum Umgang mit Medikamenten, persönlichen Schutzmaßnahmen, zur Aufbereitung von Medizinprodukten und Abfall­entsorgung enthalten. Das setzt natürlich voraus, dass in der Praxis Arbeitsbedingen herrschen, unter denen das medizinische Personal diese Standard-Hygiene-Maßnahmen befolgen kann.

DÄ: Wird das Zusammentreffen der jährlichen Influenza und Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus die Infektionslage für die Bevölkerung aggravieren?
Gérard Krause: Es lässt sich wohl nicht mehr verhindern, dass sich eine COVID19-Erkrankungswelle teilweise mit der aktuellen Influenzwelle in Deutschland überlappen wird. Die gute Nachricht ist aber, dass die meisten SARS-CoV-2-Infizierten nur leicht erkranken und somit keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen werden, also nicht in der Praxis erscheinen. Andererseits besteht eine recht lange Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen, so dass diese Gemengelage das Entstehen von zunächst unerkannten Infektionsketten erleichtert.

DÄ: Was bedeutet dies für gesundheitspolitische Entscheidungen respektive Restriktionen für die Bevölkerung?
Gérard Krause: In so einer Situation muss man den Zeitpunkt richtig bestimmen, um von der Eindämmung (also mit rigorosen Reisebeschränkungen zum Beispiel) auf eine reine Schadensbegrenzung einer solchen Epidemie umzuschalten. Das heißt: die Behörden müssen täglich aufgrund der örtlichen Lage und Ressourcen-Situation ihre Strategie anpassen. Wenn es sich abzeichnet, dass das neue Coronavirus nicht mehr nennenswert gebremst werden kann, sollte man sich eher darauf konzentrieren, diejenigen optimal zu versorgen, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf von Infektionserkrankungen haben – zum Beispiel ältere Personen und immungeschwächte Patienten.


DÄ: Wie wichtig ist die Identifizierung des „Patienten Null“, um die Infektionslage zu beurteilen?
Gérard Krause: Die Identifizierung des „Patienten Null“ ist zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nur noch von akademischen Interesse. Die Kontaktpersonen von Patienten zu identifizieren und zu beobachten, bleibt aber wichtig, vor allem wenn diese immungeschwächt sind.

DÄ: Empfehlen Sie in der jetzigen Situation das Tragen von Schutzmasken?
Gérard Krause: Nicht grundsätzlich. Einfache Masken sind dann gut, wenn man selbst erkrankt ist und die Familie/Mitmenschen nicht anstecken will. Die sogenannten FFP3-Masken sind aufwendig, müssen richtig angelegt und regelmäßig gewechselt werden; sie eignen sich eher für Risikogruppen mit anfälligem Immunsystem oder für medizinisches Personal sofern bereits gültigen Standard-Hygieneempfehlungen zutreffen. Hier ist ein Blick auf die Empfehlungen Robert Koch-Instituts sehr hilfreich.

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