Medizin

Schilddrüse: Hormonwerte im unteren Normalbereich erhöhen Lebenserwartung

  • Dienstag, 19. September 2017
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Rotterdam – Die Schilddrüsenfunktion beeinflusst die Lebenserwartung. In einer prospektiven Beobachtungsstudie lebten Männer und Frauen im Alter von 50 Jahren bis zu dreieinhalb Jahre länger, wenn ihre Hormonproduktion im unteren Normalbereich lagen. Die Internisten regen in JAMA Internal Medicine (2017; doi: 10.1001/jamainternmed.2017.4836) eine Änderung der Normalwerte an.

Die Referenzwerte für Hormone und andere Laborwerte richten sich nach statistischen Durchschnittswerten in der Bevölkerung. Üblicherweise gilt ein Wert zwischen der 2,5ten und der 97,5ten Perzentile als normal. Bei der Schilddrüse sind dies 0,86-1,94 ng/dl für das freie T4 und 0,40-4,0 mIU/l für das Steuerhormon Thyrotropin, dessen Anstieg eine Unterfunktion anzeigt.

Bei der Schilddrüse sind die Referenzwerte wichtig, da sowohl eine Unter-, als auch eine Überfunktion langfristig das Risiko auf eine Koronare Herzkrankheit, eine Herzinsuffizienz oder einen Herztod erhöhen. Sowohl zu hohe als auch zu niedrige Schilddrüsenwerte könnten das Leben um Jahre verkürzen.

Seit einiger Zeit diskutieren die Endokrinologen darüber, ob es innerhalb der Normalwerte in der Bevölkerung Unterschiede in der Lebenserwartung gibt. Robin Peeters vom Erasmus Medisch Centrum in Rotterdam hat hierzu die Daten der Rotterdam-Studie ausgewertet, die seit 1989 ältere Einwohner des Stadtviertels Ommoord begleitet. Bei der Eingangsuntersuchung wurde unter anderem die Schilddrüsenfunktion durch Bestimmung von Thyrotropin und freiem T4 geprüft

Von 7.785 Teilnehmern mit Normalwerten, die zu Beginn im Mittel 64,7 Jahre alt waren, sind inzwischen 1.357 gestorben. Nach der Analyse von Peeters war das Sterberisiko im Drittel mit der höchsten Hormonproduktion am höchsten.

Die Unterschiede waren sowohl beim verfügbaren Schilddrüsenhormon (freies T4) als auch beim Hypophysenhormon Thyrotropin erkennbar, das die Funktion der Schilddrüse steuernt: Bei einem Mangel an T4 steigert die Hypophyse die Produktion von Thyrotropin, um die Hormonproduktion in der Schilddrüse zu steigern.

Männer mit Thyrotropin-Werten im oberen Drittel des Normalbereichs (also einer vermehrten Stimulation der Schilddrüse) lebten 2,0 Jahre (95-Prozent-Konfidenz­intervall 1,0 bis 2,8) länger als Männer mit Thyrotropin-Werten im unteren Drittel des Normalbereichs, davon 1,5 Jahre ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen (0,2-2,6 Jahre). 

Bei Frauen betrug der Unterschied in der Lebenserwartung 1,4 Jahre (0,2-2,4), davon 0,9 Jahre (minus 0,2 bis 2,0 Jahre) ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Ähnlich waren die Unterschiede bei den T4-Werten: Männer und Frauen mit 50 hatten im obersten T4-Tertil eine um 3,2 Jahre (1,4-5,0) beziehungsweise um 3,5 Jahre (1,5-5,6) niedrigere Lebenserwartung. Davon waren 3,1 Jahre (1,4-4,9) und 2,5 Jahre (0,7-4,4) frei von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Peeters vermutet, dass die Erhöhung von Herzfrequenz (positiv chronotrope Wirkung), myokardialer Kontraktilität (positiv inotropische Wirkung) und eine erhöhte Blutgerinnung (Hyperkoagulierbarkeit) infolge der erhöhten Schilddrüsenaktivität für die Übersterblichkeit verantwortlich sind. Da die niederländische Bevölkerung der deutschen von der Herkunft ähnlich ist, könnten die Ergebnisse durchaus auf deutsche Verhältnisse übertragbar sein.

rme

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