Schilddrüsen-Test: IGeL-Monitor bewertet Selbstzahlerleistung als „tendenziell negativ“
Essen – Die Wissenschaftler des IGeL-Monitors raten Menschen ohne Beschwerden davon ab, einen TSH-Test auf eigene Rechnung durchführen zu lassen. Sie fanden keine Studien, die einen Nutzen untersucht haben, sehen es aber als wahrscheinlich an, dass es in der Folge einer TSH-Bestimmung zu indirekten Schäden kommen kann. Diese Bewertung gilt für nicht schwangere Erwachsene ohne Beschwerden, die auf eine Schilddrüsenerkrankung zurückgehen könnten. Welchen Nutzen und Schaden die IGeL für Schwangere hat, wurde also nicht untersucht.
„TSH“ steht für „Thyreoidea-stimulierendes Hormon“. Das Hormon wird in der Hypophyse gebildet und kann im Blut gemessen werden. Hohe TSH-Werte weisen auf eine Schilddrüsenunterfunktion hin, niedrige Werte sind ein Hinweis auf auf eine mögliche Überfunktion. Bei Menschen ohne konkrete Beschwerden ist die TSH-Bestimmung eine individuelle Gesundheitsleistung und muss aus eigener Tasche bezahlt werden. Sie wird oft zusammen mit einem Ultraschall als „Schilddrüsen-Check“ angeboten. Eine TSH-Messung mit Blutentnahme kostet laut IGel-Monitor 20 bis 30 Euro.
Für ihre Bewertung suchten die Wissenschaftler des IGeL-Monitors in Datenbanken nach entsprechenden Studien. Die Suche ergab eine aktuelle Übersichtsarbeit: Sie stammt aus dem Jahr 2015 und ist in der Zeitschrift Annals of Internal Medicine erschienen (2015; 162: 35–45). Die Autoren der Arbeit fanden jedoch keine Studien, die der Frage nach Nutzen und Schaden des Schilddrüsen-Checks nachgegangen sind. Sein Nutzen bleibt also unklar.
Auf mögliche Schäden des Checks schließen die Autoren des IGeL-Monitors indirekt: Jede Früherkennungsuntersuchung berge die Gefahr, dass Menschen unnötig verunsichert und behandelt würden. „Diese Gefahr ist bei der TSH-Bestimmung besonders groß: Da nur ein Bruchteil der Menschen mit auffälligen TSH-Werten später Beschwerden bekommt, müssten die meisten Menschen die Nebenwirkungen einer Behandlung unnötigerweise in Kauf nehmen“, heißt es in ihrer Einschätzung. Der IGel-Monitor ist ein Angebot des medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes (MDS).
Fachgesellschaft stützt Bewertung
Rückendeckung erhält der IGeL-Monitor von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Das Angebot einer TSH-Messung als IGeL-Leistung sei aus Sicht der DGE negativ zu bewerten, betonten Dagmar Führer von der Klinik für Endokrinologie am Universitätsklinikum Essen und Joachim Feldkamp von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie, Pneumologie, Infektiologie am Klinikum Bielefeld Mitte auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.
„Eine TSH-Bestimmung im Rahmen einer IGeL-Leistung halten wir nicht für sinnvoll, da über die Auswirkungen eines TSH-Screening nicht genügend Daten vorliegen“, sagte Feldkamp. Lediglich für ältere Patienten über 65 Jahre scheine klar, dass ein vollständig erniedrigter TSH-Wert mit einem höheren Risiko für Herzrhythmusstörungen und Osteoporose einhergehe. „Interventionsstudien gibt es allerdings auch hier nicht. Leichte TSH-Erhöhungen sind bei Älteren nicht mit einem relevanten Gesundheitsrisiko verbunden“, erklärte Feldkamp.
Führer mahnte, eine TSH-Messung sollte grundsätzlich nur erfolgen, wenn dies klinisch indiziert sei. Dazu zählten Patienten mit klinischem Verdacht auf Hyper- oder Hypothyreose, Patienten mit Struma oder Schilddrüsenknoten, Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch und Patienten mit bekannter Schilddrüsenerkrankung, welche Levothyroxin oder Thyreostatika einnehmen.
Darüber hinaus sei eine TSH-Bestimmung vor und im Verlaufe einer Behandlung mit Medikamenten, die zu einer potenzieller Beeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion führen könnten und vor der Gabe jodhaltiger Kontrastmittel indiziert. Führer machte deutlich, dass eine Bestimmung des TSH-Wertes generell bei allen Schwangeren durchzuführen ist. Nicht empfohlen werde diese als Routineuntersuchung bei Kindern, gesunden Männern und Frauen (außerhalb der Schwangerschaft) unabhängig vom Lebensalter. Die DGE verwies auf ihre Choosing-Wisely-Empfehlungen, die neben der TSH-Bestimmung auch weitere wichtige Aussagen zur Hormonanalytik und diagnostische Verfahren beinhalten.
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