Schlafmangel kostet deutsche Wirtschaft jährlich 60 Milliarden Euro

Cambridge – Schlafmangel führt zu Fehlzeiten am Arbeitsplatz und zu einem Rückgang der Produktivität, was sich auf die Wirtschaftsleistung eines Landes niederschlägt. Eine Studie von RAND Europe, einem Ableger der kalifornischen Denkfabrik RAND, hat ausgerechnet, dass in Deutschland jährlich 200.000 Arbeitstage verloren gehen, was einer Wirtschaftsleistung von 40 Milliarden Euro oder 1,56 Prozent des Bruttosozialprodukts entspricht.
Es ist bekannt, dass viele erwachsene Menschen zu wenig Schlaf bekommen. Laut dem von RAND Europe zusammengetragenen Daten schlafen in Deutschland 9 Prozent der Bevölkerung weniger als sechs Stunden am Tag, weitere 21 Prozent schlafen sechs bis sieben Stunden. Empfohlen werden 7 bis 8 Stunden. Mit einem Anteil von 30 Prozent der Erwachsenen, die zu wenig Schlaf bekommen, steht Deutschland im Vergleich der fünf OECD-Länder, die die Studie untersucht hat, relativ günstig da. In Großbritannien erhalten 35 Prozent, in den USA 45 Prozent und in Japan sogar 56 Prozent der Bevölkerung zu wenig Schlaf. Nur in Kanada war der Anteil mit 26 Prozent niedriger als in Deutschland.
Der Schlafmangel der Beschäftigten wirkt sich direkt auf die Fehlzeiten der Angestellten aus. Die Fehlzeiten vermindern wiederum die Produktivität. Das RAND-Team um Marco Hafner schätzt, dass in Japan 2,29 Prozent des Bruttosozialprodukts (oder jährlich 138 Milliarden US-Dollar) als Folge des Schlafmangels verloren geht, in den USA sind es 2,28 Prozent (oder 411 Milliarden US-Dollar), in Großbritannien 1,86 Prozent (oder 50 Milliarden US-Dollar), in Deutschland 1,56 Prozent (oder 60 Milliarden US-Dollar) und in Kanada 1,35 Prozent (oder 21,4 Milliarden US-Dollar).
Schlafmangel wurde in verschiedenen epidemiologischen Studien mit einer erhöhten Rate von Erkrankungen in Verbindung gebracht. Der Report zählt Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Schlaganfall, Unfälle, Diabetes, Sepsis und arterielle Hypertonie auf und schätzt, dass fehlender Schlaf die Mortalität um bis zu 13 Prozent erhöht.
Die Untersuchung geht ausführlich auf mögliche Ursachen des Schlafmangels ein. Grundlage der Berechnungen waren die Ergebnisse von „Britain’s Healthiest Workplace Competition“, die jährlich die britischen Firmen mit den gesündesten Mitarbeitern ermittelt. Der Rang richtet sich nach den Angaben zu persönlichen Daten, Lebensstil und Bedingungen am Arbeitsplatz, die die Beschäftigten in Fragebögen machen. Das RAND-Team betreut den Wettbewerb.
Zu den Lebensstil-Faktoren, die mit kürzeren Schlafzeiten assoziiert waren, gehörten Übergewicht (2,5 bis 7 Minuten weniger Schlaf am Tag), Rauchen (minus 5 Minuten), zuckerhaltige Getränke (minus 3,4 Minuten), mangelnde körperliche Bewegung (minus 2,6 Minuten) und mentale Störungen (minus 17,2 Minuten).
Auch finanzielle Probleme (minus 10 Minuten), die kostenlose Pflege von Angehörigen (minus 5 Minuten) und Kinder (minus 4,2 Minuten) verkürzen laut der Analyse den Schlaf. Männer schlafen 9 Minuten weniger als Frauen. Singles 4,8 Minuten weniger als Verheiratete und nach einer Scheidung verkürzt sich der Schlaf um 6,5 Minuten.
Ein fremdbestimmter Arbeitsplatz („lack of choice“) verkürzte die Schlafdauer um 2,3 Minuten, unrealistischer Zeitdruck um 8 Minuten und Schichtarbeit um 2,7 Minuten. Pendler bekamen zwischen 9,2 (15 Minuten zur Arbeit) und 16,5 Minuten (über 60 Minuten zur Arbeit) weniger Schlaf.
Alle Zahlen sind Durchschnittswerte und sie scheinen gering zu sein. Doch viele Teilnehmer von Britain’s Healthiest Workplace Competition hatten mehrere Risikofaktoren, die sich schnell zu einem Schlafdefizit von einer Stunde oder mehr addieren können, wie Hafner anmerkt.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: