Vermischtes

Schlangenbisse: Centrum für Reisemedizin weist auf fehlendes Antidot hin

  • Dienstag, 12. März 2024
Puffotter /dpa
Puffotter /dpa

Berlin – In Subsahara Afrika gibt es, abgesehen von Südafrika, kein funktionierendes Antidot bei einem Schlangenbiss. Darauf wies der Toxikologe Dietrich Mebs, emeritierter Professor der Universität Frankfurt, vergangene Woche beim Forum Reisen und Gesundheit des Centrums für Reisemedizin (CRM) hin.

Laut CRM sind jährlich 2,7 Millionen Menschen von Schlangenbissen betroffen – 140.000 sterben daran. „Meist sind es ärmere oder marginalisierte Bevölkerungsgruppen, die mit den Schlangen in Kontakt kommen und Bisse davontragen“, erklärt das CRM.

Der Marktanreiz, Antiseren zu entwickeln sei entsprechend gering. Reisende, insbesondere wenn diese sich eher in Hotels aufhielten, würden Mebs zufolge eher selten von Schlangen gebissen. Weil unterschiedliche Schlangenarten unterschiedliche Gifte besitzen, müsse für nahezu jede Schlangenart ein eigenes Antiserum hergestellt werden.

„Selbst das Gift einer Kobra aus Afrika ist mit dem einer Kobra aus Indien oder China nicht vergleichbar.“ Allerdings hätten Produkte aus diesen Ländern in Markt in Subsahara Afrika „erobert“. Für das französische Unternehmen Sanofi-Pasteur etwa habe sich die Herstellung des Antiserums Fav-Afrique, das gegen alle wichtigen Schlangengifte Subsahara-Afrikas gerichtet war, nicht mehr gelohnt, sodass die Firma 2010 ihre Produktion eingestellt habe.

Die lokale Antidot Produktion sei aufwendig und teuer sei. Für die Antikörperproduktion nutze man meist Pferde, Schafe oder Rinder, welche über mehrere Monate Schlangengift in steigenden Dosen erhalten. Die entstehenden Antikörper nutzt man als Antidot.

Auch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) spricht von einer Antivenom Krise. Die nicht wirksamen oder teils auch gefälschten Antiseren führen „zu einem Vertrauensverlust in Gegengiftprodukte im Allgemeinen und zu einer unzureichenden Verwendung von Gegengift“, erklärt das Institut. Bei einem Schlangenbiss suchten die Patienten und Patientinnen eher traditionelle Heilende auf, wodurch die Nachfrage nach Antivenom weiter zurückgehe und zu einem weiteren Marktverlust führe.

Ein weiterere Hürde: „Antivenine müssen oft von den Schlangenbissopfern selbst bezahlt werden, was dazu führt, dass eine Therapie häufig nicht durchgeführt wird, selbst wenn das Medikament vorrätig ist, da die Patienten das Geld nicht aufbringen können", sagte Jörg Blessman vom BNITM dem Deutschen Ärzteblatt.

Um die Situation zu verbessern, schlägt das BNITM unter anderem eine verstärkte lokale Produktion und koordinierte Zulassung von Antivenom vor. „Das auf dem Markt befindliche Gegengift muss seine Wirksamkeit in präklinischen und klinischen Versuchen nachgewiesen haben“, heißt es zudem. Um klinische Studien und Zulassungen einheitlicher zu regeln könnte die Arzneimittelagentur (AMA) mit Sitz in Afrika verantwortlich sein.

Dem Toxikologen Mebs zufolge gibt es in Südafrika bereits eine für viele Länder geeignete, jedoch zu teure Produktion. Bei geeigneter Finanzierung könnten diese die Versorgungskrise südlich der Sahara schneller beenden als Neuentwicklungen. „Allerdings muss man sagen, dass die Firma es nicht auf Export abgesehen hat, sondern froh ist, wenn sie das eigene Land versorgen können“

Bis zum Jahr 2030 will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zahl der Schlangenbisse halbieren, wie sie 2018 bekannt gab. Allerdings sei seitdem wenig passiert und das Jahr 2030 sei nur noch sechs Jahre hin, sagte Mebs.

„Die WHO unterstützt und gibt den Rahmen zur Bewältigung der Krise und zur Verbesserung der Versorgung von Schlangenbissopfern vor", erklärte Benno Kreuels, ebenfalls vom BNITM. Die Umsetzung müsse allerdings vor Ort durch dei einzelnen Länder erfolgen. Dafür bietet die WHO beispielsweise Informationen zu Schlangenbissen und der Verbreitung verschiedener Schlangenarten.

„Der Focus der WHO liegt unter anderem auf der präklinischen Prüfung von Antiveninen, die leider häufig ohne Nachweis einer Wirksamkeit auf dem Markt vertrieben werden", so der Wissenschaftlicher. Blessmann wies zudem auf Schlangenbisse in Deutschland hin: „Auch wenn lebensbedrohliche Vergiftungen durch heimische Schlangen selten sind, können Bisse durch Kreuzottern zu erheblicher Morbidität führen."

mim

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