Politik

Scholz mahnt „industrielle Revolution“ für den Klimaschutz an

  • Dienstag, 8. November 2022
/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Nariman El-Mofty
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Scharm el Scheich – Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf der Weltklimakonferenz für seine Idee eines globalen Klimaclubs von Ländern mit ehrgeizigen Zielen bei der Bekämpfung der Erderwärmung geworben. Er lud da­zu heute im ägyptischen Scharm el Scheich alle Staaten weltweit ein.

Viele Industriezweige müssten dringend klimafreundlich umgebaut werden, etwa die Zement- und Stahlpro­duk­tion. Die Idee sei, gemeinsam Regeln und Standards zu verabreden, damit es angesichts der hohen Inves­titionen nicht zu Verzerrungen des Wettbewerbs komme. „Die Zeit wird knapp. Die nächste industrielle Revo­lution muss nun starten“, forderte der Kanzler.

Beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau hatten sich im Sommer bereits die anderen großen demokratischen Wirt­schaftsmächte hinter die Idee des Klimaclubs gestellt. Er soll noch in diesem Jahr formal gegründet werden und auch offen für Länder wie China oder Saudi-Arabien sein, die nicht zur Gemeinschaft westlicher Demo­kratien gehören.

Neben dem Umbau der Industrie soll der Club einer Verlagerung von Produktion in Länder mit laxeren Klima-Auflagen entgegenwirken. Mit Energiepartnerschaften wollen die wirtschafts­starken G7-Länder ärmeren Staa­ten beim Wandel hin zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft helfen.

Scholz war bereits gestern für zwei Tage in den ägyptischen Badeort Scharm el Scheich am Roten Meer ge­reist, um an der zweiwöchigen Weltklimakonferenz teilzunehmen, für die sich 45.000 Teilnehmer registriert haben. Neben dem Klimaclub hat er eine Reihe weiterer Ideen und Initiativen mitgebracht.

Schutzschirm gegen Klimakatastrophe

Ein Schutzschirm zur Abfederung von Klimarisiken soll in der zweiten Woche der Klimakonferenz offiziell ge­gründet werden. Das Büro dafür soll in Frankfurt am Main entstehen, Deutschland stellt 170 Millionen Euro als Anschubfinanzierung zur Finanzierung.

Welche Länder sich sonst noch mit wie viel Geld beteiligen, ist unklar. Die Mittel sollen besonders stark von Katastrophen wie Wirbelstürmen, Dürren oder Fluten betroffenen Ländern zur Verfügung gestellt werden. Die haben sich bereits vor einigen Jahren in der V20 organisiert, der inzwischen 58 Staaten in Afrika, Asien, im Pazifik und in Lateinamerika angehören.

Die Umweltorganisation Germanwatch lobte die Initiative. Mit den 170 Millionen Euro etabliere sich Deutschland als Vorreiter unter den Industrieländern. Damit sei ein guter Anfang gemacht. „Mit Blick auf die tatsächlichen Schäden und Verluste durch die Klimakrise ist die Summe allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Der WWF kritisierte, dass die 170 Millionen aus dem Topf der bereits zugesagten Klima-Mittel von derzeit 5,3 Milliarden Euro jährlich stammten, die bis 2025 auf sechs Milliarden Euro aufgestockt werden sollen.

Eine Milliarde für den Wald

Aus demselben Topf kommen die Gelder für den Schutz der Wälder weltweit, die bis 2025 von einer auf zwei Milliarden Euro aufgestockt werden sollen. Sie sollen vor allem den Regenwäldern im zentralafrikanischen Kongobecken und im südamerikanischen Amazonas-Gebiet zugute kommen.

Nach Angaben des Entwicklungsministeriums gingen seit 1990 schätzungsweise 420 Millionen Hektar Wald verloren, das entspricht ungefähr der Größe der Europäischen Union. 88 Prozent der Waldzerstörung gehe auf die Landwirtschaft zurück.

Absage an „Renaissance der fossilen Energien“

Verärgerung bei Klimaschützern löste Scholz in Scharm el Scheich mit seiner Warnung vor einer „Renaissance der fossilen Energien“ und dem damit verbundenen Versprechen aus, dass es diese Renaissance in Deutsch­land nicht geben werde.

Dies sei eine „Täuschung der internationalen Öffentlichkeit“, wenn Scholz gleichzeitig Geld für neue Gasfelder in Afrika bereitstellen wolle, die die Klimakrise anheizen, sagte der geschäftsführende Vorstand von Green­peace Deutschland, Martin Kaiser.

Wenn der Kanzler sein Bekenntnis ernst meine, dürfe kein einziger Euro deutscher Steuergelder mehr in neue Gasfelder fließen. „Daran wird sich Kanzler Scholz persönlich messen lassen müssen.“

Der Kanzler hatte im Mai dem Senegal Unterstützung bei der Erschließung eines Gasfeldes vor der Küste ver­sprochen. Das kleine Land in Westafrika soll zumindest einen Teil der Lücke füllen, die durch das fehlende Gas aus Russland entstanden ist.

Experten bezweifeln Einhaltung deutscher Klimaziele

Der Kanzler beteuert, dass er die kurzfristigen Bemühungen um mehr Gas so organisieren will, dass sie mit den deutschen Klimazielen vereinbar sind.

Die Wissenschaft stellt Deutschland bisher aber keine guten Noten aus: Nur zwei Tage vor dem Start der Be­ratungen in Ägypten hatte der unabhängige Expertenrat die deutschen Klimaschutzbemühungen für unzu­reichend erklärt. Ihr Fazit: Unwahrscheinlich, dass Deutschland sein Ziel, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, noch schaffen kann.

dpa

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