Schwangerschaftsabbruch: Gericht muss Frage um verbotene Werbung klären

Berlin/Gießen – Dürfen Ärzte auf ihrer Internetseite über die Möglichkeit legaler Schwangerschaftsabbrüche informieren oder handelt es sich dabei um strafrechtlich relevante verbotene Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft (§219a Strafgesetzbuch (StGB))? Damit muss sich am 24. November um 10 Uhr das Gießener Amtsgericht befassen.
Die Gießener Ärztin Kristina Hänel hatte nach eigenen Angaben auf ihrer Homepage über einen Link Informationen bereitgestellt, in dem sie über die gesetzlichen Voraussetzungen sowie über Methoden und Risiken des Schwangerschaftsabbruchs informierte. Außerdem ermöglichte sie Interessierten ein persönliches Gespräch, wie Hänel in der Begründung für eine Petition schreibt, mit der sie sich an den Deutschen Bundestag wendet. Die Petition „Informationsrecht für Frauen zum Schwangerschaftsabbruch“ hatte bis heute mehr als 68.000 Mitzeichner.
In ihrer Petitionsbegründung betont sie, ihre „neutrale Mitteilung“ sei von Abtreibungsgegnern als Werbung interpretiert worden. Wiederholt sei sie von Abtreibungsgegnern deswegen angezeigt, die Verfahren seien aber vom Amtsgericht Gießen eingestellt worden. „Die letzte Anzeige erfolgte im Herbst 2016. Diesmal hat ein Gießener Staatsanwalt Anklage erhoben. Das Hauptverfahren wurde eröffnet“, schreibt sie.
Rückendeckung erhielt Hänel heute im Vorfeld des Prozesses von den Delegierten der Liste Demokratischer Ärztinnen und Ärzte (LDÄÄ) in der Landesärztekammer Hessen. „Der §219a des Strafgesetzbuchs: ,Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft’ ist ein Anachronismus und entspricht nicht mehr den gesellschaftlichen Gegebenheiten“, hieß es vom LDÄÄ. Schwangere Frauen in einer Notlage bräuchten neutrale qualifizierte Informationen zum Schwangerschaftsabbruch. Ärzte dürften nicht kriminalisiert werden, weil sie ihrer Aufklärungspflicht Patientinnen gegenüber nachkommen, erläuterten die Delegierten weiter.
Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) betonte auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes, es könne zwar strittig diskutiert werden, ob das Recht auf Information der Frauen durch die Vorschrift unzulässig eingeschränkt werde oder ob dieses durch die Möglichkeit, entsprechende Adressen über Ärzte und Beratungsstellen benannt zu bekommen, noch gewahrt sei. Eindeutig zu kritisieren sei aber „die missbräuchliche Ausnutzung dieser Strafvorschrift durch verschiedene Initiativen von Abtreibungsgegnern, die systematisch Ärzte, die Frauen in Not helfen und das bei der Darstellung ihres Leistungsspektrums auf ihrer Website – in der Regel in Unkenntnis dieser Rechtslage – erwähnen, strafrechtlich anzeigen“, so der BVF.
Der Verband betonte zugleich, dass es auch innerhalb der Ärzteschaft keine einheitliche Auffassung zu der Frage gebe, ob der §219a Strafgesetzbuch abgeschafft werden sollte. „Der §219a Strafgesetzbuch beschreibt ein abstraktes Gefährdungsdelikt und soll laut Kommentarliteratur verhindern, dass der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird. Diese Vorschrift richtet sich nicht nur gegen Ärzte und deren Personal, sondern gegen jedermann“, so der BVF.
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