Screening: Multiresistente Keime werden oft übersehen

Kassel – Ein Kasseler Krankenhaus testet alle stationären Patienten auf multiresistente Keime und hat dabei eine überraschende Entdeckung gemacht. Zehn Prozent der Träger des Bakteriums MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) wären bei den Standard-Screenings nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RK) nicht erfasst worden, sagte der Geschäftsführer des Marienkrankenhauses, Michael Schmidt, heute.
Die meisten Kliniken untersuchen nur Risikopatienten wie Pflegeheimbewohner oder Kranke, die Antibiotikatherapien hinter sich haben. In Kassel wurden MRSA-Keime bei 149 der mehr als 9.000 im Jahr 2016 getesteten Kranken nachgewiesen. Von diesen wären mit 14 Patienten rund zehn Prozent mit dem Standardverfahren nicht erfasst worden. „Diese Zahl mag klein erscheinen. Rechnet man sie jedoch auf die bundesweit rund 20 Millionen Krankenhauspatienten hoch, wird mit 30.000 Menschen eine Dimension erreicht, die zum Nachdenken anregt“, sagte Schmidt.
Ob die Kasseler Ergebnisse auf andere Krankenhäuser übertragbar sind, ist aufgrund der schlechten Datenlage schwer abzuschätzen. Denn nur wenige Kliniken haben ähnliche Programme etabliert. „Viele Kliniken messen zu wenig und übermitteln dem Robert-Koch-Institut dann entsprechend niedrige Zahlen“, sagte Andreas Bastian, Chefarzt am Marienkrankenhaus. Verwunderlich ist das zumindest unter finanziellen Gesichtspunkten nicht – die Kosten für das Screening-Programm belaufen sich in Kassel auf rund 250.000 Euro pro Jahr. Dazu gebe es keine direkte Refinanzierung, sagte Schmidt.
„Es ist klar, dass es MRSA-Träger gibt, die man mit einem normalen Screening nicht erkennt“, sagte die Sprecherin des Robert-Koch-Instituts (RKI), Susanne Glasmacher. Die Richtlinie sei als Minimalempfehlung zu verstehen. Ein komplettes Screening sei jedoch sehr aufwendig umzusetzen. „Es bleibt eine Abwägung jeder Klinik, alle Patienten zu testen oder eben nicht.“
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