Sea Watch nimmt Berlin in die Verantwortung

Rom – Nach der Festnahme der Sea-Watch-3-Kapitänin Carola Rackete in Italien hat die Hilfsorganisation Sea-Watch die Bundesregierung für die Lage der Flüchtlinge mitverantwortlich gemacht. „Wir sind sehr enttäuscht von der Bundesregierung“, sagte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer heute in Berlin. Italien habe seine Häfen vor einem Jahr für Flüchtlinge geschlossen. Seither hätte die Bundesregierung Zeit gehabt, eine Lösung für die Situation zu finden.
Eine europäische Lösung „wäre zwar schön“, sagte Neugebauer auf entsprechende Forderungen der Bundesregierung. Aber solange die Menschenrechte nicht eingehalten würden, „muss man proaktiv vorangehen“. Er verwies auf die Bereitschaft der baden-württembergischen Stadt Rottenburg, die Flüchtlinge von der Sea-Watch 3 aufzunehmen. „Das ist der Weg, wie es gehen kann“, betonte Neugebauer. „Da kann man von der Bundesregierung schon erwarten, dass sie mutig vorangeht.“
Die Sea-Watch-3-Kapitänin Rackete war in der Nacht zum vergangenen Samstag festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden, nachdem sie ihr Schiff mit zuletzt noch 40 Migranten an Bord trotz des Verbots der italienischen Behörden in den Hafen der Mittelmeerinsel Lampedusa gesteuert hatte. Dabei stieß die Sea-Watch 3 gegen ein Schnellboot der Polizei, das das Schiff am Anlegen hindern wollte. Ein Gericht auf Sizilien wollte heute über das weitere Vorgehen gegen Rackete entscheiden.
Die Hilfsorganisation verteidigte Racketes Vorgehen. Es habe kein anderer sicherer Hafen zur Verfügung gestanden, deshalb habe die Kapitänin vom „Nothafenrecht“ Gebrauch machen müssen. Erfreut zeigte sich Sea Watch über die eingegangenen Spendengelder in Höhe von bereits mehr als einer Million Euro: „Das zeigt, dass die Zivilgesellschaft hinter uns steht.“
Weitere Organisationen erklärten sich heute solidarisch mit Rackete. „Diese Frau hat nicht nur Menschen auf hoher See vor dem Ertrinken gerettet. Sie hat sie auch davor bewahrt, dass sie wieder zurück in die Hölle nach Libyen gebracht werden. Diese Kapitänin verdient Applaus“, sagte Julian Raickman, Leiter der Libyen-Sektion von Ärzte ohne Grenzen (MSF) der Welt. In libyschen Flüchtlingslagern herrschten katastrophale Zustände.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi forderte gemeinsam mit der Europäischen Dachorganisation der Transportgewerkschaften (ETF) Racketes sofortige Freilassung. Ihr Vorgehen sei durch die im Solas-Abkommen festgehaltene völkerrechtliche Verpflichtung zur Seenotrettung gedeckt. „Wer Menschenleben rettet, darf nicht kriminalisiert werden, erst recht nicht in einem Land, das der Europäischen Union angehört“, erklärte Verdi-Chef Frankr Bsirske.
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