Spahn warnt vor „Akademisierungswahn“ in Deutschland

Münster – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnt vor einem „Akademisierungswahn“ in Deutschland. Er halte zum Beispiel nichts von der Entwicklung, für immer mehr Berufe einen Bachelor zu verlangen, für die bisher eine Ausbildung gereicht habe, sagte Spahn beim Katholikentag in Münster. Im Gegenteil gelte es, praktische Arbeit zu stärken. Akademische Ausbildung müsse Option und Fortbildung sein, aber nicht Grundvoraussetzung.
Bei den Voraussetzungen für das Medizinstudium warnte Spahn davor, gute Noten zum alleinigen Maßstab zu machen. „Wer ein Abi von 0,9 hat, aber nicht gerne mit Menschen in einem Raum ist, der sollte nicht Arzt werden – naja, höchstens Pathologe“, sagte der Minister. Zugleich rief der CDU-Politiker dazu auf, das deutsche Gesundheitssystem nicht schlechtzureden und „wertzuschätzen, was geleistet wird“. Fünf Millionen Beschäftigte und 24-Stunden-Versorgung – „es gibt nicht viele Länder, die das bieten“, so Spahn.
Personalsuche trittf auf ethische Fragen
Zum Pflegenotstand sagte der Minister weiter, die finanziellen Voraussetzungen für nachhaltige Verbesserungen seien selten so gut gewesen wie im Moment. Man werde zügig neue Stellen schaffen, aber es sei schwer, diese qualifiziert zu besetzen. Pflegepersonal aus dem Ausland sei dafür nur ein Baustein; allein damit könne das Problem nicht gelöst werden.
„Wir werden uns auf Länder mit junger Bevölkerung konzentrieren, denen wir nicht die Menschen wegnehmen“, betonte Spahn. Dies sei eine wichtige ethische Frage. In manchen Ländern gebe es auch schon Strukturen, die gezielt junge Leute fit machten für den deutschen Markt.
Der Vorsitzende des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands (KKVD), Osnabrücks Generalvikar Theo Paul, warnte vor einer „Defiziteinschätzung“ von ausländischen Mitarbeitern. „Wir müssen doch eingestehen: Ohne sie könnten wir unsere Einrichtungen inzwischen dichtmachen“, sagte Paul. Der Geistliche warb für mehr Vertrauen in das Gesundheitssystem. „Wir brauchen derzeit nicht mehr Kontrolle, die einengt; wir brauchen kreative Kraft und gestalterische Spielräume.“
Für den Pflegebereich verwies Paul auf veränderte Familienverhältnisse. Aufgrund von Berufstätigkeit der Angehörigen könnten vor allem ältere Menschen nach einem Klinikaufenthalt heute nicht mehr selbstverständlich nach Hause zurück. Hier fehlten noch angemessene Angebote, damit Patienten verlässliche Bedingungen vorfänden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: