Streit um Neuausrichtung des Medizinstudiums

Berlin – Zwölf Dekane und Studiendekane Medizinischer Fakultäten in Deutschland haben die Politik in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) aufgefordert, den Masterplan Medizinstudium 2020 und damit die Reform des Medizinstudiums nicht wie bisher geplant umzusetzen. Die Stellungnahme hat zu deutlicher Kritik geführt.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, wirft den Autoren eine unverblümte Stimmungmache gegen den Masterplan Medizinstudium 2020 und insbesondere gegen die notwendige Stärkung der Allgemeinmedizin vor. „Es ist besorgniserregend, wie es sich universitäre Führungskräfte in den althergebrachten Strukturen bequem machen und dabei ihre Verantwortung für die medizinische Versorgung der Zukunft ignorieren“, sagte Weigeldt heute.
Allgemeinmedizin im Fokus des Streits
Er verwies darauf, dass die Allgemeinmedizin jahrzehntelang an den meisten medizinischen Fakultäten kaum eine Rolle gespielt habe. Vielmehr sei auf die Arbeit der Hausärzte allzu häufig mit Arroganz geblickt worden. „Zu behaupten, dass diese Haltung an vielen Universitäten nichts oder nur wenig mit der Tatsache zu tun hat, dass sich zu wenig Absolventen für die hausärztliche Tätigkeit interessieren, ist schlichtweg realitätsfern“, sagte Weigeldt.
Stattdessen lobten sich die Autoren dafür, dass im Jahr 2018 fast alle medizinischen Fakultäten einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin haben. Die Dekane hatten in der FAZ geschrieben, dass „die meisten Medizinischen Fakultäten inzwischen Lehrstühle für Allgemeinmedizin eingerichtet“ haben. Zahlen nannten sie nicht.
Erst Mitte März hatte Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen (NRW), die Universitäten scharf kritisiert. CDU und FDP hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, dass alle medizinischen Fakultäten in NRW einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin erhalten sollen. „Eine W3-Professur für Allgemeinmedizin haben wir bis jetzt nur in Düsseldorf“, erklärte er. Die übrigen Universitäten hätten die Stellen zwar ausgeschrieben, besetzt sei aber nicht ein einziger weiterer Lehrstuhl. „Ich will, dass ein so gut bezahltes System wie die Universitäten auch das liefert, was die Bevölkerung für die Versorgung braucht“, stellte der Minister klar.
In dem FAZ-Artikel warfen die Dekane und Studiendekane der Medizinischen Fakultäten aus Erlangen, Essen, Frankfurt am Main, Freiburg, Greifswald, Halle, Heidelberg, Jena, Kiel, Mainz, Mannheim und Ulm der Politik vor, die Weichen falsch zu stellen. Im Gegensatz zur von der Politik gestellten Diagnose seien die Hochschulen sehr wohl in der Lage, die künftigen Ärzte sachgerecht auszubilden. „Nicht alles, was im Gesundheitswesen im Argen liegt, kann durch Veränderungen des Studiums geheilt werden“, schreiben sie.
So wählten die Hochschulen „keineswegs die Falschen aus, auch wenn es viele Bewerber gibt, die nicht zum Zuge kommen, obwohl sie das Zeug hätten, hervorragende Ärzte zu werden“. Sie bemängelten auch, dass man manche Studieninhalte, die zu einer „breit gebildeten Ärztegeneration“ beitragen würden, nicht „leichtfertig einem rein versorgungsorientierten und vorhersehbar untauglichen Maßnahmenkatalog opfern sollte“.
Dazu gehören nach Ansicht der Dekane eine ausgeprägte Wissenschaftsorientierung, die Vermittlung zahlreicher auch „kleinerer Fächer“, die studienbegleitende Dissertation und nicht zuletzt die akademische Freiheit, in jedem Fach und an jedem Standort eigene Schwerpunkte und Lehrkonzepte festlegen zu können. „Mit einer staatlich vorgegebenen Berufsausbildung anstelle eines vollständigen Hochschulstudiums werden wir jedenfalls nicht die Ärzte heranbilden, die das Land braucht“, so ihr Fazit.
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