Politik

Spahn warnt vor Sorglosigkeit aufgrund sich entspannender Coronalage

  • Dienstag, 1. Juni 2021
/picture alliance, Bernd von Jutrczenka
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Berlin – Angesichts sinkender Infektionszahlen und sich entspannender Lage in den Krankenhäusern werde derzeit zwar vieles wieder möglich und geöffnet. Zugleich zeige allerdings auch ein Blick etwa nach Großbritannien, wie sich das Infektionsgeschehen trotz einer fortschreitenden Impfkampagne beim Auftreten neuer Coronavarianten wieder verschärfen könne, betonte heute Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), lobte ebenfalls die „erfreuliche Entwicklung der letzten Wochen“. Von mehr als 400 Landkreisen in Deutschland gebe es nur noch vier mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100. Es lägen insgesamt weniger Coronapatienten in den Krankenhäusern und auch auf den Intensivstationen.

Allerdings gebe es immer noch zu viele Coronatote, mahnte Wieler. Es gehe um „annähernd 1.000“ Todesfälle pro Woche. Auch hier sei aber ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Die gute Entwicklung sei insbesondere denjenigen Bürgerinnen und Bürgern zu verdanken, die sich an die Coronavorschriften halten und die sich impfen lassen, sagte Wieler. In den nächsten Wochen müssten diese beiden Wege der Pandemiebekämpfung weiter beschritten werden.

Spahn bekräftigte das Ziel der Bundesregierung, einem „Großteil“ der impfwilligen Bevölkerung im Laufe der kommenden Wochen ein erstes Impfangebot zu machen. Etwa die Hälfte der Erwachsenen hätten dieses bereits bekommen, sagte er. Angesichts der demnächst zu erwartenden weiteren großen Vakzin-Lieferungen von Impfstoffherstellern könnten auch die übrigen bald folgen.

Zudem kündigte der Minister neue Bund-Länder-Beratungen über das Vorgehen in der Pandemie an. „Wir werden ja nächste Woche, wenn ich es gerade richtig im Kopf habe, mit den Ministerpräsidenten, mit den Bundesländern nochmal darüber reden, wo wir auch stehen, wie es dann auch weitergeht im Sommer mit weiteren Schritten“, sagte er. Ein konkretes Datum wurde zunächst nicht bekannt.

Wieler erinnerte daran, dass viele Millionen Menschen im Land noch nicht geimpft seien, daher seien nur vorsichtige Öffnungsschritte möglich. Anhand von Modellierungen gehe das RKI davon aus, dass bei kontrolliertem Öffnen kein weiteres exponentielles Wachstum der Fallzahlen zu erwarten sei und dass die Belastung auf den Intensivstationen in den nächsten acht Wochen immer niedriger werde.

Es sei ein großer Erfolg, dass die dritte Welle gebrochen worden sei, sagte Wieler. „Jetzt müssen wir diesen Erfolg nutzen, um die Infektionszahlen weiter zu senken. Lassen Sie uns dafür den Sommer nutzen.“ Auch international gelte es, die Coronapandemie in den Griff zu bekommen.

Um weitgehend auf Maßnahmen verzichten zu können, müssten „mehr als 80 Prozent“ der Menschen im Land einen Immunschutz haben, durch vollständige Impfung oder durchgemachte Infektion plus Impfung, bekräftigte der RKI-Präsident. Eine einmalige Impfung biete noch nicht ausreichend Schutz vor einer Infektion.

Die meisten Menschen in Deutschland, die sich impfen lassen wollen, kämen früh im Sommer an die Reihe, sagte Spahn. „Wir werden jetzt im Juni, im Juli und im August weitere 50 Millionen Dosen allein vom Hersteller Biontech bekommen und verimpfen können. Das macht es möglich, einen Großteil der Impfwilligen relativ früh in diesem Sommer impfen zu können.“

Bei stärker von einem schweren Coronaverlauf bedrohten Menschen sei die Impfkampagne dank der noch bis kommenden Montag gültigen Priorisierung, also der Impfung nach Vorranggruppen, besonders weit. „Rund 80 Prozent aller Über-60-Jährigen sind bereits einmal geimpft“, sagte Spahn.

Nach der Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer auch für Kinder ab 12 Jahren könnten sich auch Angehörige dieser Altersgruppe grundsätzlich impfen lassen, sagte Spahn. Ziel sei, bis Ende August auch den 12- bis 18-Jährigen das Angebot mindestens für die erste Impfung gemacht zu haben. Es bleibe eine individuelle Entscheidung der Kinder und Jugendlichen, ihrer Eltern und Ärztinnen und Ärzte.

Bund und Länder hatten festgelegt, dass sich Kinder ab 12 Jahren in Deutschland vom 7. Juni an impfen lassen dürfen. Aktuell beteiligen sich nach Angaben Spahns rund 70.000 Arztpraxen an den Coronaimpfungen. Vom 7. Juni an können sich auch Beschäftigte von den Betriebsärzten in Tausenden Betrieben gegen Corona impfen lassen.

Konsequenzen nach mutmaßlichen Abrechnungsbetrug

Nach Fällen mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs in Coronatestzentren stellte Spahn erneut bessere Kontrollen in Aussicht. „Betrug ist eine Sauerei“, sagte Spahn. Hier müssten strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden. Viele Anbieter seien aber seriös – etwa Apotheker, Ärztinnen und Ärzte, Rotes Kreuz, Feuerwehren und auch viele private Anbieter.

Kontrolliert würden zwei Bereiche: die Teststationen und deren Abrechnungen. Bei den Stationen kontrollierten die Kommunen, ob diese ordnungsgemäß eingerichtet und geführt seien. Bei den Abrechnungen sei nun vorgesehen, dass die Kontrollen verbessert werden, bekräftigte Spahn.

Wenn etwa die Sachkosten für die Beschaffung eines Testkits bei 3,50 Euro gelegen hätten und der hierfür maximal abrechenbare Betrag von sechs Euro abgerechnet werde, dann handele es sich um bestrafbaren Betrug. Spahn hatte mit den Gesundheitsministern der Länder am Vortag bessere Prüfungen und eine Verschärfung der Testverordnung beschlossen.

Spahn verteidigte, dass viele private Anbieter etwa in Gaststätten Teststationen aufgemacht hätten. Viele Länder hätten zusätzliche Anbieter gefordert, so dass genug Testkapazitäten auf die Beine gestellt werden können.

dpa/afp

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