Spahn wirbt bei Abgeordneten mit Brief für Widerspruchslösung

Berlin – Kurz vor der Bundestagsentscheidung über eine Reform der Organspende hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei den Parlamentariern für eine Widerspruchslösung geworben. „Ich wünsche mir, dass wir dabei den Mut finden, den großen Schritt zu wagen", schreibt Spahn in einem Brief an die Abgeordneten des Bundestags, der dem Spiegel vorliegt.
Das Schreiben richtet sich an alle Abgeordneten, die noch unentschlossen sind. Ihre Zahl wird auf rund 200 geschätzt. Spahn argumentiert, dass die meisten europäischen Länder, allen voran Spanien und Kroatien, mit der Widerspruchslösung „sehr gute Erfahrungen“ gemacht hätten. „Die Bereitschaft zu geben ist dort die Regel, nicht wie bei uns in Deutschland die rühmliche Ausnahme.“
Am kommenden Donnerstag will der Bundestag eine Neuregelung des Transplantationsgesetzes auf den Weg bringen. Die sogenannte doppelte Widerspruchslösung, die Spahn als CDU-Abgeordneter gemeinsam mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und anderen vorgelegt hat, sieht vor, dass jeder, der zu Lebzeiten nicht widersprochen hat, bei einem Hirntod automatisch potenzieller Spender sein soll.
In Konkurrenz dazu steht die sogenannte Entscheidungslösung, die eine Gruppe um Grünenchefin Annalena Baerbock ausgearbeitet hat. Nach ihr bedarf eine Organentnahme, wie bislang, einer ausdrücklichen Zustimmung des Spenders zu Lebzeiten. Zugleich sollen die Bürger verstärkt bei der Beantragung von Pässen und Führerscheinen sowie von ihren Ärzten auf die Organspende angesprochen werden.
Spahn schreibt dazu: „Allein mehr Ansprache, Aufklärung und Information werden nicht reichen.“ Trotz zahlreicher Kampagnen seien die Spendenzahlen 2017 auf einen Tiefpunkt gesunken.
Spahn verteidigt die Widerspruchslösung gegen Kritik: Manche treibe die Frage um, ob es sich nicht um einen „zu großen Eingriff in die Freiheit“ handele, schreibt der Minister. Man müsse allerdings beide Seiten sehen: „Ist nicht die Freiheit der Bürger, die teilweise schwer krank auf eine lebensrettende Spende warten, am meisten bedroht?“
Massiven Widerspruch gegen die Widerspruchslösung erheben die Kirchen, die kurz vor Weihnachten ein gemeinsames Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten veröffentlichten.
Mit einer Widerspruchslösung würde der Staat „tief in den Kernbereich der menschlichen Existenz und Würde“ eingreifen. Organspende müsse ein Akt der Nächstenliebe bleiben. Zudem widerspreche eine solche Regelung dem deutschen Medizinrecht, das bei jedem Eingriff die ausdrückliche Zustimmung des Patienten fordere.
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