Medizin

Starke akute Symptome und geringe Resilienz begünstigen Long COVID

  • Montag, 25. Juli 2022
/Jesse, stock.adobe.com
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Kiel – Anhand eines neuen, symptombasierten Scores wurden schwere Erkrankungssymptome in der Akut­phase und eine geringe psychosoziale Belastbarkeit als Risikofaktoren für das Post-COVID-Syndrom identi­fiziert.

Das Post-COVID-Syndrom (PCS) ist gekennzeichnet durch eine anhaltende Symptomlast (>3 Monate) und Ver­schlechterung bereits bestehender Komorbidität. Die Ursachen und langfris­tigen Auswirkungen von PCS auf das Gesundheitssystem sind noch unklar, auch weil noch effiziente Tools zur Bewertung des Vorhandenseins und der Schwere von PCS nicht etabliert sind.

In der populationsbasierte Kohortenstudie COVIDOM wurden SARS-CoV-2-Infizierte zwischen dem 15. No­vem­ber 2020 und dem 29. September 2021 aus Kiel, Berlin, Würzburg rekrutiert. Haupteinschlusskriterien waren ein Mindestalter von 18 Jahren, eine PCR-bestätigte SARS-CoV-2-Infektion und ein Zeitraum von min­destens 6 Monaten zwischen der Infektion und dem Besuch des COVIDOM-Studienzentrums (n=1.400).

Für diese Arbeit setzten die Forscher erstmals den sogenannten PCS-Score ein, um den Schweregrad eines PCS in ein einheitliches Schema zu bringen (eClinical Medicine 2022; DOI: 10.1016/j.eclinm.2022.101549).

„Dieser neue Score kann objektiv zwischen unterschiedlichen Schweregraden der PCS-Beschwer­den unter­scheiden“, so die Auffassung von Erstautor Thomas Bahmer, Internist und Pneumologe der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel.

Der PCS-Score wird mithilfe von 12 Fragen berechnet, die unterschiedliche Symptombe­reiche abfragen. Die Befragung wurde nach der Akutphase einer Infektion durchgeführt.

„Die Einfach­heit der Berechnung des PCS-Scores erlaubt es uns, ihn unmittelbar in die routinemäßige Nach­versorgung von Coronainfizierten zu integrieren. Mit dem PCS-Score kann die Notwen­digkeit einer fachärzt­lichen Weiterbehandlung abgeschätzt und die Behandlung auf einen möglichst objektiven Befund gestützt werden“, erläuterte Seniorautor und Studienleiter Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I, Campus Kiel.

In der ersten Kohorte aus Kiel (n=667, 57 % Frauen) wurden 90 % der SARS-CoV-2-Infizierten ambulant ver­sorgt. Neurologische Beschwerden (61,5 %), Fatigue (57,1 %) und Schlafstörungen (57,0 %) waren die häufigs­ten anhaltenden Symptome 6-12 Monate nach der Infektion.

Über Subkohorten hinweg (Würzburg/Berlin, n=316, 52 % Frauen; Kiel (2. Kohorte), n=459, 56 % Frauen), gin­gen höhere PCS-Werte mit einer geringeren gesundheitsbezogenen Lebensqualität einher (EQ-5D-5L-VAS/-Index: r=-0,54/-0,56, alle p<0,0001).

Schwere, mittelschwere und milde/keine PCS wurden in der 1. Kohorte aus Kiel jeweils bei 18,8 %, 48,2 % bzw. 32,9 % beobachtet. Als statistisch signifikante Prädiktoren für PCS wurden starke Symptome in der aku­ten Phase und eine geringe persönliche Resilienz herausgefiltert.

„Wie erwartet erhöhten schwere Erkrankungssymptome in der Akutphase das Risiko für ein Post-COVID-Syn­drom. Überraschend war jedoch, dass auch eine geringe psychosoziale Belastbarkeit und niedrige Resilienz zu einem PCS führen können“, sagte Bahmer.

cw

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