Stellenwert der Präzisionsmedizin in der Inneren Medizin wächst

Berlin – Die Präzisionsmedizin hat in den vergangenen Jahren zunächst vor allem in der Onkologie für bahnbrechende Entwicklungen gesorgt. Nun folgen andere Fachgebiete.
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) habe deshalb den diesjährigen Kongress unter das Motto „Präzisionsmedizin – Wünsche und Wirklichkeiten“ gestellt, sagte heute Andreas Neubauer, Kongresspräsident des 130. Internistenkongresses, der vom 13. bis 16. April in Wiesbaden stattfindet.
Die Onkologie sei das erste medizinische Gebiet gewesen, in dem man es mittels Präzisionsmedizin verstanden habe, Moleküle so zu verändern, dass der Krebs entweder ganz verschwinde oder zu einer therapierbaren chronischen Erkrankung werde, betonte der Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie am Universitätsklinikum Marburg. Mittlerweile würden diese Möglichkeiten auch in anderen Teilgebieten der Inneren Medizin genutzt.
„Wir sehen Präzisionsmedizin in der Nephrologie, in der Endokrinologie, in der Kardiologie, in der Gastrologie, in der Pulmologie und vor allen Dingen natürlich auch weiterhin in der Onkologie. Je besser wir eine Krankheit verstehen, desto präziser können wir sie behandeln“, so Neubauer. Das sei für die Patientinnen und Patienten sehr vorteilhaft – nicht nur, weil möglicherweise die Krankheit verschwinde, sondern auch, weil sie auch viel weniger Nebenwirkungen erleiden müssten.
Wichtig ist es Neubauer auch, die digitale Zukunft der Medizin zu beleuchten. „KI ist die treibende Kraft der nächsten Jahre und wird sicher bald aus der klinischen Praxis nicht mehr wegzudenken sein“, ist er überzeugt. Künstliche Intelligenz helfe nicht nur bei der Diagnostik, sondern habe auch bereits Therapieempfehlungen in der Onkologie erfasst. Während des Kongresses sollen auf einer virtuellen Notaufnahmestation mit eigens dafür vorbereiteten Fällen die Teilnehmenden ihre digitalen Kenntnisse überprüfen können.
Themen sind auch die Notfallversorgung und die Palliativmedizin. „Im ärztlichen Alltag erleben wir immer wieder, dass Menschen zu schnell unsere Notfallambulanzen und Rettungswagen in Anspruch nehmen oder aber viel zu lange daheim verharren, wenn sie schwerwiegende Symptome haben“, erklärte Norbert Schütz, langjähriger Organisationsleiter des Patiententages der DGIM und Klinikdirektor der Geriatrie und Rheumatologie an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden. Häufig fehle es an ausreichend fundiertem Wissen in der breiten Bevölkerung.
Bernd Oliver Maier, Chefarzt des St. Josefs-Hospitals Wiesbaden, rief zu mehr Kommunikation auf. Betroffenen sei empfohlen, in ihrem persönlichen Umfeld sowie im Umfeld der involvierten pflegerisch-medizinischen Unterstützer offen über ihre Sorgen und Wünsche zu sprechen, sagte er. Diese Gespräche könnten dann in Instrumente wie Vorausverfügungen münden, die dann auch rechtsverbindlich die Behandlung steuern könnten.
Bestehe bei einem Betroffenen ein ausgeprägter Sterbewunsch, erscheine es im Gegensatz zur nüchternen juristischen Perspektive auch weiterhin geboten, die ärztliche Haltung einer „emotionalen Berührtheit“ durch den Sterbewunsch zu vertreten. Um Vertrauen aufzubauen, brauche es kontinuierliche Begleitung, Expertenwissen, Verfügbarkeit und strukturelle Kompetenz, insbesondere vermittelt durch hospizliche und palliativmedizinische Angebote.
Der Kongress beschäftige sich auch mit weiteren gesamtgesellschaftlichen Themen wie dem Klimawandel, dem Fachkräftemangel sowie der Alterung der Gesellschaft.
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