Steuern, Werbeverbot und Nutri-Score gegen Diabetes-Tsunami

Berlin – Heute gibt es sieben Millionen Diabetiker, in 20 Jahren könnten es zwölf Millionen sein. Die Expertenprognosen sind düster. Dabei wäre ein Großteil der Typ-2-Diabeteserkrankungen nach Auffassung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) vermeidbar.
Die Erkrankung könne vermieden werden, wenn es gelänge, eine Umgebung zu schaffen, in der sich Menschen besser ernährten und weniger übergewichtig seien, sagte DDG-Präsident Dirk Müller-Wieland heute anlässlich des Auftaktes des diesjährigen Diabeteskongresses in Berlin. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wäre der DDG zufolge die Einführung des Nutri-Scores zur Kennzeichnung von Lebensmitteln.
Um den Diabetes-Tsunami noch zu stoppen, sei die unmittelbare Umsetzung verhältnispräventiver Maßnahmen erforderlich, die die DDG schon seit Längerem fordert. Dazu gehören eine steuerliche Belastung adipogener und eine Entlastung nährwertgünstiger Lebensmittel, ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung und eine für Verbraucher verständliche Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen. Bei letzterer spricht sich die DDG für den Nutri-Score aus und kritisiert Bestrebungen eines möglichen deutschen Sonderweges.
Bei der Anwendung des Nutri-Scores wird für jedes Lebensmittel aus eher günstigen Inhaltsstoffen wie Obst, Gemüse und Ballaststoffen und eher ungünstigen Inhaltsstoffen wie Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren ein Gesamtpunktwert ermittelt, der Score.
„Je nachdem, wie dieser Wert ausfällt, wird das Produkt auf der Vorderseite der Verpackung gut sichtbar mit einem Buchstaben und einer von fünf Farben gekennzeichnet“, erklärte Müller-Wieland. Anders als beim bisherigen Kleingedruckten auf der Rückseite könne mit dem Nutri-Score jeder Mensch unabhängig von Sprachkenntnissen und Bildungsstand den Unterschied zwischen dem dunkelgrünen A – für sehr günstige Lebensmittel – und dem roten E – für sehr ungünstige Nahrungsmittel – erkennen.
„Doch die dazu notwendigen Maßnahmen muss die Politik jetzt durchsetzen“, mahnte der Diabetologe. Statt den wissenschaftlich geprüften und europaweit anerkannten Nutri-Score einzuführen, hat das deutsche Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nun jedoch ein eigenes System ins Spiel gebracht.
Das jetzt durch das Max-Rubner-Institut (MRI) vorgestellte Kennzeichnungssystem hält die DDG für wenig überzeugend. Sie kritisiert vor allem die fehlende farbliche Markierung, die laut MRI-Aussagen das Merkmal ist, das dem Verbraucher hilft, die Höhe der Nährstoffgehalte besonders leicht einzuschätzen. „Der Nutri-Score hat seine Wirksamkeit wissenschaftlich bewiesen und ist sofort einsetzbar“, sagte DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer.
In Frankreich etwa ist der Nutri-Score bereits etabliert: Tests haben gezeigt, dass Menschen nach seiner Einführung weniger ungesunde und mehr gesunde Produkte kauften. Die Nährwertqualität verbesserte sich dadurch um durchschnittlich sechs bis neun Prozent. Das überzeugte auch Belgier, Spanier, Portugiesen und Luxemburger. Sie alle planen, den Nutri-Score ebenfalls einzuführen.
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