Strafverfahren gegen Sanofi wegen Missbildungen bei Babys ausgeweitet

Paris – Nach tausenden Fällen von Missbildungen bei Neugeborenen durch ein Epilepsiemedikament sowie einigen Todesfällen bei Babys hat die französische Justiz ihr Strafverfahren gegen den Pharmakonzern Sanofi ausgeweitet.
Außer den seit Februar laufenden Ermittlungen wegen „schwerer Irreführung“ und „fahrlässiger Körperverletzung“ ermittle sie nun auch wegen „fahrlässiger Tötung“, erklärte Sanofi gestern und bestätigte damit einen Bericht der Zeitung Le Monde.
In dem schon seit Jahren laufenden Verfahren geht es um das Medikament Dépakine, das seit 1967 in Frankreich zur Behandlung von Epilepsien und bipolaren Störungen eingesetzt wird.
Es enthält den auch in anderen Generika enthaltenen umstrittenen Wirkstoff Valproat, der bei der Einnahme durch Schwangere zu Missbildungen, Autismus und geistigen Behinderungen bei deren Kindern führen kann. Einer Studie zufolge sind zwischen 15.000 und 30.000 Kinder davon betroffen.
Der französische Verband Apesac, der hunderte betroffene Familien vertritt, geht seit 2016 juristisch gegen Sanofi vor und stützt sich auf Fälle von Müttern, die Dépakine während der Schwangerschaft einnahmen. Er wirft dem Konzern vor, Schwangere nicht hinreichend über die Risiken informiert zu haben. Die Ermittlungen umfassen einen Zeitraum von 25 Jahren: von 1990 bis 2015.
Nach Angaben von Le Monde geht es bei den neuen Ermittlungen um den Tod von vier Babys aus den Jahren 1990, 1996, 2011 und 2014, deren Mütter während der Schwangerschaft Dépakine eingenommen hatten. Demnach soll geklärt werden, ob Sanofi „für ihren Tod verantwortlich gemacht werden kann“.
Der Pharmakonzern wies die Vorwürfe zurück. Er habe bei dem Medikament seine „Informationspflichten erfüllt“ und „bestreitet die Gültigkeit dieses Verfahrens“, erklärte er. Deshalb fechte er es auch juristisch an. Im vergangenen Monat hatte das Verwaltungsgericht im Pariser Vorort Montreuil erstmals dem Staat eine Mitverantwortung für das Drama gegeben.
Nach Einschätzung des Gerichtsgutachters wussten die Behörden bereits seit 1983 von den Gefahren einer Missbildung und seit 2004, dass das Medikament auch für Autismus und Lernbehinderungen verantwortlich sein könnte. Das Gericht befand nun, der Staat sei seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen.
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