Streit um Finanzplanung für Entwicklungshilfe

Berlin – Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf für den Haushalt des laufenden Jahres, Eckwerte für den Bundeshaushalt des kommenden Jahres und den Finanzplan bis 2022 beschlossen. Die Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sorgen für Streit in der Bundesregierung.
Für das Gesundheitsressort ändert sich im Vergleich zu den bisherigen Planungen kaum etwas. Der Entwurf von Scholz sieht für das laufende Jahr 15,200 Milliarden Euro für das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor. Das sind 0,3 Prozent mehr als im vergangenen Jahr (15,159 Milliarden Euro). Davon fließen 14,5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds. Um 1,5 Millionen Euro abgesenkt wurden dem Finanzministerium zufolge die bereitgestellten Mittel für die Förderung der freiwilligen privaten Pflegevorsorge. Dafür stehen 2018 51,9 Millionen Euro bereit. Grund für die Absenkung sei eine „Neuprognose der Versicherten“, wie es hieß.
Etat des BMG wächst bis 2022 leicht
Die vorläufige Finanzplanung hatte für 2018 15,175 Milliarden Euro vorgesehen. In den Eckwerten des Bundeshaushalts 2019 plant Scholz für das Gesundheitsressort erneut 0,3 Prozent mehr und damit 15,250 Milliarden Euro ein. Bis 2022 soll der Etat minimal auf 15,283 Milliarden Euro anwachsen.
Streit gibt es in der Bundesregierung vor allem um den Wehretat und bei den Plänen für die Entwicklungshilfe. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller zeigte sich heute unzufrieden mit der Finanzplanung. Der Haushaltsentwurf für 2018 sei in Ordnung, nicht zufrieden sei er aber mit den Eckwerten für den Haushalt 2019, erklärte der CSU-Politiker. Das Angebot des Bundesfinanzministers sei nicht ausreichend. „Demnach würde der Etat für das Entwicklungsministerium um 150 Millionen absinken“, sagte Müller. Damit könne man „den Anforderungen an uns in der Welt nicht genügen“. Damit würde auch die ODA-Quote, entgegen der Festlegung im Koalitionsvertrag, sinken.
„ODA-Lücke“ von 1,1 Milliarden Euro
Deutschland hat sich bereits 1972 dem Ziel der Vereinten Nationen verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Die ODA-Quote würde laut Müller nach aktuellem Finanzplan 2019 auf 0,47 Prozent sinken. Er sprach von einer „ODA-Lücke“ von 1,1 Milliarden Euro für das Jahr 2019. Er erwarte, dass diese Lücke noch geschlossen werde. ODA steht für „Official Development Assistance“, also offizielle Entwicklungshilfe. Die ODA-Quote stellt die Ausgaben eines Landes in diesem Bereich im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung dar.
„Die Krisen wachsen, die Herausforderungen werden größer, deshalb kann der Haushalt 2019 beim Entwicklungsminister bei guter wirtschaftlicher Gesamtsituation nicht schrumpfen“, sagte Müller. Müller nannte etwa die wachsenden Aufgaben bei der Bekämpfung der Fluchtursachen in der Krisenregion um Syrien oder die Hilfsgelder für Afrika.
Entwicklungshilfe-Organisationen haben den Finanzplan der Bundesregierung heute scharf kritisiert. „Keine zwei Monate nachdem die neue große Koalition ihre Arbeit aufgenommen hat, haben wir bereits den ersten Vertragsbruch“, sagte der Deutschland-Direktor der Entwicklungshilfe-Lobbygruppe One, Stephan Exo-Kreischer.
Die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, kritisierte, dass es dadurch zu Planungsunsicherheiten komme. Neue Initiativen zur Bekämpfung von Hunger und extremer Armut könnten 2018 nicht gestartet werden, wenn ihre Finanzierung in den Folgejahren nicht gesichert sei.
Auch die Hilfsorganisation Save the Children fordert von der Bundesregierung mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit. „Deutschland muss endlich die sogenannte ODA-Quote von 0,7 Prozent für Entwicklungshilfe erfüllen, und zwar, ohne dass die Kosten für Geflüchtete in Deutschland eingerechnet werden“, verlangte Geschäftsführerin Susanna Krüger gestern in Berlin.
Mehr Geld für Kinder- und Müttergesundheit notwendig
Mehr Kraft und Geld müssten in die Kinder- und Müttergesundheit fließen. „Gesunde und gut ausgebildete Kinder sind der entscheidende Faktor, damit sich ein Land nachhaltig entwickelt“, sagte Krüger. Jedes Jahr stürben weltweit 5,9 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag an vermeidbaren Krankheiten und 3,1 Millionen Kinder durch Hunger oder Mangelernährung.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz verteidigte seine Haushaltspläne gegen die Kritik. Für die Entwicklungshilfe seien deutlich mehr Mittel vorgesehen als noch von seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU), sagte Scholz heute. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte zurückhaltend auf den Protest. Beim Haushalt gebe es immer mal wieder Protokollerklärungen. Aber dem von Scholz vorgelegten Entwurf hätten alle Ministerien zugestimmt, sagte Merkel in Berlin am Rande eines Treffens mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Peter Pellegrini. Bis Juli gebe es jetzt aber noch weitere Gespräche, fügte sie hinzu.
Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung steigt laut Bundesregierung im laufenden Jahr auf rund 9,4 Milliarden Euro an. Dies entspricht einem Zuwachs von 741 Millionen Euro gegenüber dem ersten Regierungsentwurf 2018 und von 978 Millionen Euro im Vergleich zum Jahr 2017. Die Ausgaben für die humanitäre Hilfe in der Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes steigen um 294 Millionen Euro auf rund 1,5 Milliarden Euro.
Investitionen in der Kritik
Vor dem Hintergrund der Finanzreform zwischen Bund und Ländern will der Bund ab 2020 seine eigenen, öffentlichen Investitionen zurückfahren. Die Ausgaben dafür sollen von 37,9 Milliarden Euro im kommenden Jahr auf 33,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 sinken. Das bedeute aber nicht, dass der Staat insgesamt weniger investiere, hieß es im Finanzministerium.
Der Rückgang der Investitionen des Bundes ab 2020 hänge insbesondere mit der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zusammen. Es handle sich um einen „buchhalterischen Effekt“. Zwar sinke die Investitionsquote des Bundes. Durch verstärkte Zuweisungen an Länder und Kommunen würden diese aber in die Lage versetzt, mehr zu investieren.
Höhere Transfermittel
Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sieht ab 2020 unter anderem höhere Transfermittel aus Steuergeldern für die Länder vor, etwa zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs und des kommunalen Straßenbaus. Diese Mittel werden nicht als Investitionen geführt, sondern als Transferleistungen. Bei einer öffentlichen Investition nimmt der Bund selber Mittel in die Hand, zum Beispiel für den Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur. Eine Transferleistung ist eine Zuweisung von Geldern.
Der geplante Rückgang der öffentlichen Investitionen des Bundes sorgte für massive Kritik bei der Opposition. Linke-Chef Bernd Riexinger sprach von einem „Wählerbetrug erster Güte“. „Die versprochenen Milliarden für den Ausbau von Schulen, Straßen, Schienen, Krankenhäusern und besseren Netzen sind essenzielle Investitionen in die Zukunft. Sparen auf Kosten der Funktionsfähigkeit des Staates geht nicht.“
Schwarze Null soll bleiben
Die Vorlage von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht Ausgaben und Einnahmen von jeweils 341 Milliarden Euro vor, womit die Politik der „schwarzen Null“ fortgesetzt wird. Gegenüber dem Vorjahr steigen die Ausgaben damit um 3,1 Prozent.
Die nachträglichen Haushaltsberatungen für das laufende Jahr sind durch die verzögerte Regierungsbildung nach der Bundestagswahl vom September erforderlich geworden. Die ebenfalls vom Kabinett gebilligten Eckwerte für 2019 sehen Ausgaben und Einnahmen von jeweils 356,1 Milliarden Euro vor, was einem Plus von 4,4 Prozent entspricht.
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