Politik

Streit um Rettungsdienst in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz

  • Mittwoch, 17. Januar 2018
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Baden-Baden – Bei medizinischen Notfällen sind in Baden-Württemberg und Rhein­land-Pfalz nach Untersuchungen des Südwestrundfunks (SWR) 2.700 Gemeinden unterversorgt. Das gilt dem SWR zufolge sowohl in Bezug auf gesetzliche Fristen als auch Forderungen der Ärzte. Mediziner kritisieren die festgelegten Fristen. Das rheinland-pfälzische Innenministerium weist die Kritik zurück.

Die aktuelle Gesetzeslage lässt in Baden-Württemberg eine Eintreffzeit bis zu 15 Minuten und in Rheinland-Pfalz sogar von mehr als 15 Minuten zu. Daran gemessen ist laut SWR ein Teil der Bevölkerung unterversorgt, weil der Rettungswagen in vielen Gemeinden oft später als eine Viertelstunde eintrifft.

Eine Zehnminutenfrist für Retter bis zum Eintreffen am Einsatzort, die von vielen notärztlichen Vereinigungen und Fachgesellschaften aus medizinischer Sicht gelten sollte, wird ebenfalls in vielen Fällen nicht erreicht. Laut SWR hatten jeder fünfte Baden-Württemberger und jeder dritte Rheinland-Pfälzer 2016 nur eine 50-Prozent-Chance, dass der Rettungsdienst zehn Minuten nach dem Notruf vor Ort war.

Betroffen seien potenziell rund zehn Millionen Menschen. Der Grund liege in der Planung der Infrastruktur des Rettungsdienstes. Vor allem in ländlichen Gebieten fehle es an Rettungswachen in der Nähe. Die Folge seien lange Anfahrtswege, wenn sich dort ein Notfall ereigne. 900 der Gemeinden lägen in Baden-Württemberg, 1.800 in Rheinland-Pfalz.

Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand oder Herzinfarkt haben Notfallmedizinern zufolge innerhalb der medizinisch wünschenswerten Frist deutlich bessere Über­lebenschancen. Auch bei schweren Unfällen spielt die Zeit eine lebenswichtige Rolle. Der Notarztverband agswn (Arbeitsgemeinschaft der Notärzte im Südwesten) bekräftigte im Interview mit dem SWR die Notwendigkeit der professionellen Versorgung innerhalb von zehn Minuten. „Eine Zeit von zehn Minuten für das ersteintreffende Rettungsmittel wäre notfallmedizinisch geboten und sinnvoll“, sagte Eduard Kehrberger, stellvertretender Vorsitzender des agswn.

Er kritisiert, dass eine Eintreffzeit von zehn Minuten mittlerweile nicht mehr von der Politik angestrebt und kontrolliert wird. „Über die zehn Minuten reden wir schon lange nicht mehr. Alle Auswertungen laufen auf die 15 Minuten raus“, betonte er. In vielen Rettungsdienstbereichen würden auch die 15 Minuten nicht eingehalten. Kehrber­ger forderte eine deutliche Verschärfung der gesetzlichen Fristen.

Das rheinland-pfälzische Innenministerium sieht hingegen keine grundsätzlichen Mängel beim Rettungsdienst im Land. Dieser sei bei Notfällen im Durchschnitt schneller vor Ort als gesetzlich verlangt, teilte das Ministerium heute in Mainz mit. Es dauere im Schnitt sieben Minuten und 16 Sekunden, bis ein Rettungswagen am Einsatzort eintreffe, was deutlich unter der gesetzlichen Frist von 15 Minuten liege, betonte Innenstaatssekretär Randolf Stich (SPD). Die gesetzliche Hilfeleistungsfrist von 15 Minuten werde in mehr als 94 Prozent aller Notfalleinsätze im Land erreicht. Das Innenministerium sagte zudem, die Einsatzzeit von 15 Minuten sei in Abstimmung mit medizinischen Fachkreisen im Gesetz festgelegt worden.

Widerspruch kam auch von der Grünen-Regierungspartei in Baden-Württemberg. „Die durchschnittliche Fahrzeit von Rettungswagen beträgt 6 Minuten und 5 Sekunden, die von Notärzten 6 Minuten und 10 Sekunden. Von Unterversorgung kann also eine Rede sein“, sagte Andrea Schwarz, Sprecherin für Bevölkerungsschutz der Grünen-Fraktion. Die Landesregierung arbeite intensiv daran, die Einhaltung der Fristen zu gewährleisten. „Wir brauchen deshalb mehr Rettungsfahrzeuge und kostendeckende Tarife im Krankentransport“, sagte Schwarz.

Für die Analyse hat der SWR Statistiken des Rettungsdienstes ausgewertet sowie Einsatzzeiten von Rettungswagen und Notärzten analysiert. Untersucht worden sind 3.400 Gemeinden.

may/dpa

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