Ärzteschaft

Stresstest für bayerische Notaufnahmen

  • Mittwoch, 18. Januar 2017
Uploaded: 17.02.2015 17:42:17 by mis
/dpa

München/Berlin – In Bayern sind die Notaufnahmen überfüllt. An einigen Kliniken über­schreiten die Patientenzahlen den Jahresdurchschnitt derzeit um mehr als ein Viertel. Entsprechend würden die Wartezeiten auf eine ärztliche Versorgung explodieren, teilte die Gesellschaft für Akut- und Notfallmedizin Bayern heute mit. In München etwa hatten demnach am Sonntagnachmittag fast alle Kliniken eine Ka­pa­zitätserschöpfung für Not­fall­patienten an die Leitstelle gemeldet.

Ursachen dafür sind die Grippewelle und die glatten Straßenverhältnisse. „Die üblichen Sturzverletzungen mit Unterarm- und Beinbrüchen sind dabei meist zeitnah und gut zu versorgen“, erklärte der Vorsitzende der bayerischen Notfallmediziner, Markus Wehler. Problematisch hingegen sei die Notfallversorgung im Bereich der konservativen Medizin. In München häufen sich demnach Fälle von schwer an Grippe Erkrankten, die stationär aufgenommen werden müssten. Besonders betroffen seien vor allem ältere und abwehr­­geschwächte Menschen, die schwer durch Influenza erkranken können.

DGINA warnt vor Gefahren überlasteter Notaufnahmen
Die Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) wies darauf hin, dass die Situation für die Notaufnahmen eine besondere Herausforderung sei. Denn diese Patienten müssen nicht nur isoliert werden, sie beanspruchten auch zusätzliche Ka­pazitäten auf den Stationen. Weil aber aktuell kaum noch Betten in den Kliniken frei seien, verblieben diese länger als nötig in den Notaufnahmen. Das führe laut DGINA zu Überfüllung und binde zusätzliches pflegerisches und ärztliches Personal. „Es ist wissen­schaftlich belegt, dass gerade in Zeiten überlasteter Notaufnahmen gehäuft gefährliche Situationen auftreten“, betonte DGINA-Präsident Christoph Dodt.

Moderne Notaufnahmen setzten auf Ersteinschätzungssysteme, bei denen speziell ge­schul­tes Personal anhand des Krankheitssymptoms die maximale Wartezeit bis zum ers­ten Arztkontakt zuordne – ein Verfahren, bei dem die vorgegebenen Versorgungs­zeiten für offensichtlich schwer Kranke, wie Verunfallte oder Menschen mit Herzinfarkt oder Schlag­anfall, in jedem deutschen Krankenhaus sicher eingehalten werden können.

Anders sieht es der DGINA zufolge bei Krankheiten aus, deren Ursache nicht so einfach zu diagnostizieren seien. „Gerade während der Grippewelle kommen immer wieder Men­schen mit hohem Fieber in die Kliniken, bei denen sich eine anfänglich vermutete Grip­pe­symptomatik als lebensgefährliche Blutvergiftung herausstellt“, sagte Florian Demetz, Stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Akut- und Notfallmedizin Bayern. Die frühzeitige Erkennung und zeitnahe Abklärung dieser Patienten erfordere eine beson­de­re Aufmerksamkeit, die in überfüllten Notaufnahmen nicht mehr jederzeit gewährleistet werden könne.

Die DGINA macht deutlich, dass die Situation in Bayern kein regionaler Ausnahmefall ist, der nach der Grippesaison zu den Akten gelegt werden könne. Die Fachgesellschaft be­mängelte eine unzureichend Finanzie­rung. Diese führe zu strukturellen und personell­en Defiziten, unter denen letztlich die Patienten zu leiden hätten. „Das Grundproblem liegt in der fehlenden Deckung der Vorhaltungskosten für eine Rund-um-die-Uhr-Notfallver­sor­gung“, sagte der DGINA-Präsident.

Krankenhäuser würden derzeit nur für Notfallpatien­ten ausreichend bezahlt, die stationär aufgenommen werden. Reservevorhaltungen, die in der Notfallmedizin unabdingbar sei­en, seien ökonomisch nicht gedeckt. Die Gesell­schaft für Akut- und Notfallmedizin Bay­ern und die DGINA fordern, dass die Vorhaltungs­kosten für die klinische Notfallversor­gung gedeckt werden. Dazu müssten Notaufnahmen als eigenständige Fachabteilungen im Krankenhausplan geführt werden. Nur dann könn­ten gezielt entsprechende finanzielle Mittel von den Kostenträgern bereitgestellt werden.

EB/may

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