Medizin

Studie: COVID-19 hat globale Lebenserwartung um fast 2 Jahre gesenkt

  • Dienstag, 29. März 2022
/photosaint, stock.adobe.com
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Los Angeles – In den ersten beiden Pandemiejahren ist es erstmals seit 1950 zu einem Rückgang in der Lebenserwartung der Weltbevölkerung gekommen. Er betrug nach Berechnungen in Population and Development Review (2022; DOI: 10.1111/padr.12477) 0,92 Jahre im Jahr 2020 und 0,72 Jahre im Jahr 2021. Seit dem 4. Quartal 2021 ist es wieder zu einem leichten Anstieg gekommen.

Die meisten Experten sind sich einig, dass die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu COVID-19 veröffentlichten Zahlen das Ausmaß der Pandemie unterschätzen. Die WHO ging Ende 2021 von 5,4 Mio. Todesfällen aus. Patrick Heuveline vom California Center for Population Research in Los Angeles kommt in seinen Berechnungen auf 15 Mio. globale Todesfälle. Die Zahl beruht auf den von der “Human Mortality Database“ regelmäßig veröffentlichten Zahlen zur Sterblichkeit in mehr als 100 Ländern. Dabei versucht der Forscher auch die Ungenauigkeiten aus einzelnen Ländern zu berücksichtigen.

Der Rückgang in den letzten beiden Jahren bedeutet, dass die Lebenserwartung der Weltbevölkerung unter den Wert von 2013 zurückgefallen ist. Die einzelnen Länder waren unterschiedlich stark betroffen. In 8 Ländern ist die Lebenserwartung um mehr als 4 Jahre gefallen. Darunter waren 5 Länder auf dem amerikanischen Kontinent: Peru verlor 5,6 Jahre, Guatemala 4,8 Jahre, Paraguay 4,7 Jahre, Bolivien 4,1 Jahre und Mexiko 4,0 Jahre. In Europa verloren Russland 4,3 Jahre, Bulgarien 4,1 Jahre und Nordmaze­donien 4,1 Jahre.

Die geringsten Rückgänge von weniger als 2 Jahren verzeichneten Länder in Ostasien, Australien, Neu­see­land und in Westeuropa, wobei die Trennlinie zwischen dem Baltikum und dem Balkan verläuft. In den USA lag der Verlust über 2 Jahre.

Von 1950 bis 2019 war die globale Lebenserwartung jedes Jahr um durchschnittlich 0,39 Jahre von 45,7 Jahre auf 72,6 Jahre gestiegen. Die größte Zunahme gab es mit 0,7 Jahren zwischen 1964 und 1968, was Heuveline auf weltweite Impfkampagnen bei Kindern zurückführt.

COVID-19 stellt Aids in den Schatten. Die Immunschwäche hat zwar den Anstieg der globalen Lebenser­wartung zwischen 1990 und 1995 auf 0,2 Jahre pro Jahr gesenkt, es war jedoch global gesehen niemals zu einem Rückgang der Lebenserwartung gekommen. In einigen Regionen war dies anders. In Eswatini (früher Swaziland) sank die Lebenserwartung in den späten 1990er Jahren um 2,10 Jahre pro Jahr.

Die größten Einbrüche der Lebenserwartung seit 1950 waren Folgen politischer Katastrophen und regio­nal begrenzt: Während der großen chinesischen Hungersnot von 1957-59, ausgelöst durch die von Mao Zedong initiierte Zwangskollektivierung der Landwirtschaft („Großer Sprung nach vorn“), ging die Lebens­erwartung in China um 12 Jahre zurück.

Der Massenmord an der eigenen Bevölkerung durch das „Khmer Rouge“-Regime senkte nach früheren Berechnungen von Heuveline in den Jahren 1975-1978 die Lebenserwartung bei Männern um 8,1 Jahre und bei Frauen um 16,7 Jahre. Der Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 könnte nach anderen Studien zu einem Rückgang der Lebenserwartung in dem afrikanischen Land um 5,02 Jahre geführt haben.

Hungersnöte wie zuletzt in Darfur wirken sich kaum auf die durchschnittliche Lebenserwartung in einem Land aus, da meist nur bestimmte Regionen betroffen sind.

rme

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