Tag der Organspende: Breite Zustimmung zur Widerspruchslösung

Düsseldorf – Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat sich für eine Widerspruchslösung bei der Organspende ausgesprochen. „Eine verpflichtende Entscheidung jedes Einzelnen halte ich für zumutbar“, sagte er anlässlich des bundesweiten Tages der Organspende am 1. Juni.
Es werde niemand gezwungen, so Laumann. „Ich bin aber schon der Meinung, dass wir die Menschen dazu verpflichten können, sich mit der Entscheidung auseinanderzusetzen“, unterstich der Minister. Zudem appellierte er an die Bürger, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich zu informieren. „Treffen Sie eine Entscheidung, ob Sie Organe spenden möchten und füllen Sie einen Organspendeausweis aus“, sagte Laumann.
Ihm zufolge warten allein in Nordrhein-Westfalen derzeit rund 2.000 Menschen auf ein lebensrettendes Organ. Demgegenüber stehen 163 Organspender im Jahr 2018. Einen Grund für die geringe Zahl der Organspenden ist laut Laumann zufolge, dass in den Kliniken nicht alle möglichen Organspender erkannt werden. „Die seit dem 1. April dieses Jahres geltende Änderung des Transplantationsgesetzes verbessert die Strukturen und die Vergütung bei der Organspende in den Entnahmekliniken und konkretisiert die Aufgaben der Krankenhäuser“, erklärte er. Aber das allein reiche noch nicht aus.
Positive Signale aus Hamburg
Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach mehreren Jahren rückläufiger Spenderzahlen der Trend bundesweit wieder umgekehrt werden konnte. So gab es nach vorläufigen Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 2018 bundesweit 955 Organspenderspender.
Damit ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 158 gestiegen. In Hamburg hat sich die Zahl der Organspenden 2018 sogar mehr als verdoppelt. Laut Prüfer-Storcks stellten im vergangenen Jahr 55 Menschen ihre Organe für eine Transplantation zur Verfügung (2017: 24). Auch die Zahl der gespendeten Organe ist in Hamburg deutlich von 77 (2017) auf 182 (2018) angewachsen.
„Es ist ein gutes Zeichen, dass die Anzahl der Organspender wieder steigt, und dass sie sich in Hamburg sogar mehr als verdoppelt hat“, sagte Prüfer Storcks. Die guten Zahlen sprächen dafür, dass die Vorgaben im Landes-Transplantationsgesetz zur Freistellung von Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern sowie zur Meldepflicht von potentiellen Organspendern wirken.
„Auch wenn wir in Hamburg bei den Organspenden auf dem richtigen Weg sind, dürfen wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen, uns für mehr Organspenden einzusetzen: Ich spreche mich deshalb für die Einführung der doppelten Widerspruchslösung aus“, so die Gesundheitssenatorin.
Wer kein Organspender sein wolle, müsse aktiv widersprechen. „Aber auch bei denjenigen, die nicht widersprochen haben, werden die Angehörigen vor einer Organentnahme gefragt“, verwies Prüfer-Storcks. Eine solche Lösung berücksichtige die Not vieler Kranker, die dringend auf eine Spende warten, und wahre das Selbstbestimmungsrecht der Menschen.
Auch der baden-württembergische Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) hat zum Tag der Organspende seine Unterstützung für die Einführung der Widerspruchslösung bekräftigt. „In Baden-Württemberg ist die Zahl der Organspenden im vergangenen Jahr zwar gestiegen, doch warten bei uns im Land immer noch zu viele Menschen auf ein lebenswichtiges Spenderorgan“, sagte er. Es bestehe deshalb akuter Handlungsbedarf.
„Die Widerspruchslösung in Verbindung mit engen ethischen Grenzen und einer umfassenden Information der Bevölkerung ist daher der richtige Weg, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen“, so Lucha. Eine Spende sei immer noch ein freiwilliges Geschenk, das nicht eingefordert werden könne. Damit jeder Einzelne eine freie Entscheidung treffen könne, sei eine offene, ausführliche und sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema wichtig. „Das gilt ganz besonders für die mögliche Einführung der Widerspruchslösung“, so Lucha.
Neben der Bereitschaft zur Organspende gehöre aber auch, dass das Land die Entnahmekrankenhäuser weiter unterstütze. In Baden-Württemberg sei bereits ein mustergültiges Curriculum zur Qualifizierung von Transplantationsbeauftragten entwickelt und umgesetzt worden. „Ab diesem Jahr werden wir das intensivmedizinische Personal der Entnahmekrankenhäuser in Notfallaufnahmen und auf Intensivstationen gezielt fortbilden und setzen dabei auf Transplantationsbeauftragte als Multiplikatoren“, so der Minister.
Der Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) zufolge ist die doppelte Widerspruchslösung Teil einer Lösung, die eine schnelle Hilfe verspricht. „Tausende von Menschen warten auf ein Spenderorgan, dennoch stagniert die Bereitschaft zur Organspende. Deshalb ist ein gesellschaftliches Umdenken notwendig. Neben der doppelten Widerspruchslösung brauchen wir daher weitere Aufklärungskampagnen, insbesondere an Schulen, bessere Ausstattung der Kliniken, Zeit für Beratungsgespräche und entsprechend qualifiziertes Personal“, so Henrik Herrmann, Präsident der ÄKSH.
Bevölkerung unentschieden
Wie die Bevölkerung in Deutschland über die Widerspruchslösung denkt, hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in einer Umfrage ermittelt. Ergebnis: Keiner der Vorschläge zur Organspende findet eine klare Mehrheit in der Bevölkerung.
39 Prozent der Bürger würden am liebsten bei der aktuellen Regelung mit einem freiwilligen Organspendeausweis bleiben. Hingegen können sich 35 Prozent die Widerspruchslösung vorstellen, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in die politische Debatte eingebracht hat. Ein alternatives Modell mit einem zentralen Register, bei dem die Bürger ihren Willen etwa bei Behördengängen äußern, befürworten 25 Prozent der Deutschen.
„Angesichts der geringen Spenderzahlen brauchen wir dringend eine Neuregelung der Organspende“, sagt Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC. „Da sich bei den aktuellen Lösungsvorschlägen keine klare Mehrheit unter den Bürgern abzeichnet, muss die Bundesregierung nach neuen Ansätzen suchen, die für viele Menschen zustimmungsfähig sind.“
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