Politik

Transplantations­medizin: Raus aus dem Spendertief

  • Montag, 31. Oktober 2016
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Frankfurt am Main – Blickt man auf die Statistiken, steckt die Organspende in einer tiefen Krise. Glaubt man indes führenden Fachmedizinern, herrscht in der Transplantationsme­di­zin Aufbruchstimmung. Das schrieb der medizinische Vorstand der Deut­schen Stiftung Organtransplantation (DSO), Axel Rahmel, zusammen mit anderen Ex­perten jüngst im Deutschen Ärzteblatt.

„Insgesamt ist Deutschland bezüglich der Organspende und des Transplantations­wesens auf einem guten Weg“, so Rahmel und der Präsident der Deutschen Transplantationsge­sellschaft, Bernhard Banas, sowie Björn Nashan, Mitglied der Ständigen Kommission Or­gan­transplantation der Bundesärztekammer. Bei der in Frankfurt beginnen­den Jahres­ta­gung der DSO soll ab Donnerstag ein Strauß laufender und noch ausstehen­der Re­for­men diskutiert werden. Erwartet wird Bundesgesund­heitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Fest steht: Die Zahl der Organspender ist zwischen 2010 und 2013 und ein Drittel zu­rück­gegangen – von 1.296 auf 876 Spender. Seither stagnieren die Spenderzahlen auf niedrigem Niveau. Weithin wird dafür der Vertrauensverlust verantwortlich gemacht, der durch mehrere Skandale an Transplantationszentren entstanden ist und 2012 bekannt wurde.

Rahmel und seine Co-Autoren weisen allerdings darauf hin, dass der Rückgang schon vor dem Skandal einsetzte. Verantwortlich dafür seien auch „erhebliche Struktur-, Qua­li­fi­kations- und Qualitätssicherungsdefizite im Transplantationsbereich“, argumentieren sie. So offenbarten Umfragen unter Medizinern und Pflegepersonal in Krankenhäusern „ein erhebliches Informationsdefizit zur Organspende und Transplantation, gepaart mit einer relativ hohen Ablehnung der Transplantationsmedizin“.

Die Autoren kritisieren zudem deutliche Defizite bei den Transplantationsbeauftragten, die jedes Krankenhaus mit Intensivmedizin benennen muss. So hätten manche Kliniken Mitarbeiter einfach zu Transplantationsbeauftragten ernannt, ihnen dann aber keine Ge­legenheit zur Fortbildung gegeben. Auch die Kostenerstattung für beteiligte Kranken­häu­ser sei noch ungeklärt. Bis heute gibt es zudem keine bundesweite einheitliche speziali­sier­te Ausbildung zum Transplantationsmediziner.

Das soll sich ändern: Die Deutsche Transplantationsgesellschaft hat eine Zusatzweiter­bil­dung für „Transplantationsmediziner“ entwickelt. In Sachsen-Anhalt ist sie seit April beschlossene Sache; die bundesweite Verabschiedung ist für 2017 geplant. Auch für die Transplantationsbeauftragten wurde ein Lehrplan zur Weiterbildung entwickelt, der in Frankfurt diskutiert werden soll.

Gleich zwei Themenblöcke befassen sich bei der Jahrestagung mit dem stets umstritte­nen Thema Hirntod. Die Richtlinie zur Feststellung des Todes durch den Nachweis des unwiderruflichen Ausfalls der Hirnfunktion wurde überarbeitet und wird derzeit kritisch diskutiert und bewertet.

Überarbeitet werden von der Ständigen Kommission Organtransplantation auch die Richt­linien zu allen Bereichen der Organtransplantation: zu Nieren-, Pankreas-, Leber- und Herztransplantation. Neue kommen dazu, zum Beispiel zum Spenderschutz und Auf­klärung bei der Lebendspende. Dabei geht es auch um die Frage, wer ein Organ erhal­ten darf und mit welcher Priorität es zugeteilt wird. Kriterien sind Erfolgsaussicht und Dring­lichkeit, die in Konkurrenz zueinander stehen. Dieser Prozess soll Ende 2017 abge­schlossen sein.

Als Meilenstein sehen die Autoren das in diesem Herbst beschlossene Transplantations­register. Es soll alle bundesweit erhobenen Daten von der Organentnahme bis hin zur Nachbetreuung zentral zusammenfassen. Politiker und Experten hoffen, dass mit diesen Daten die Kriterien für die Warteliste sowie für die Verteilung der Spenderorgane weiter­entwickelt werden können und mehr Transparenz geschaffen wird.

All diese Maßnahmen sollen auch das Vertrauen in die Organspende wieder stärken und aus dem Spendertief herausführen. Eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheit­li­che Aufklärung Anfang 2016 zeigt eine positive Tendenz: 81 Prozent der Befragten sehen die Organspende eher mit Zustimmung – das ist der höchste Prozentsatz seit 2010 (79 Prozent).

kna

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