Ausland

Türkei: Gericht ordnet Verhaftung Fincancis an, weiter Protest aus Deutschland

  • Freitag, 28. Oktober 2022
/picture alliance, ZUMAPRESS.com, Bilal Seckin
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Istanbul – Ein Gericht in Ankara hat offiziell die Verhaftung der Präsidentin des türkischen Ärzteverbandes (TTB), Sebnem Korur Fincanci, angeordnet. Wie die staatliche Nachrichten­agentur Anadolu berichtete, wird ihr Terrorpropa­ganda vorgeworfen.

Anadolu zufolge soll es konkret um ein Interview Fincancis mit einem Sender gehen, der nach türkischer Auf­fassung Verbindungen zur PKK haben soll. Fincanci war daraufhin vorgestern wegen Aussagen rund um den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen durch das türkische Militär festgenommen worden.

Hintergrund sind nicht verifizierte Videos, die im Internet kursieren. Sie sollen zeigen, wie türkische Streit­kräf­te bei einem Militäreinsatz im Nordirak Chemiewaffen gegen Stellungen der verbotenen kurdischen Arbeiter­partei PKK einsetzen.

Neben Fincanci hatten Teile der Opposition unabhängige Untersuchungen dazu gefordert. Die türkische Re­gierung hat die Vorwürfe zurückgewiesen. „Heute ist ein pechschwarzer Tag für die Geschichte der Demokratie in der Türkei“, reagierten Vertreter der TTB auf die Verhaftung.

Der türkische Justizminister, Bekir Bozdag, hingegen warf der TTB laut Anadolu vor, mit „dem Munde der Ter­rororganisationen“ zu sprechen und kündigte eine neue Regulierung für die TTB an. Zuvor hatte bereits der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärt, Fincanci solle des Amtes enthoben werden.

Amnesty International und Ärzte in Deutschland forderten auch heute die sofortige Freilassung der 2018 mit dem Hessi­schen Friedenspreis aus­gezeichneten Ärztin und Menschenrechtsak­tivistin. Das Vorgehen sei „will­kürlich und politisch motiviert“, so Amnesty.

Die Bundesärztekammer (BÄK) hatte den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gestern ange­schrieben und gemahnt, Fincanci „unverzüglich freizulas­sen“. Die Verhaftung stelle einen Angriff auf das Recht zur freien Mei­nungs­äußerung und auf die ärztliche Selbstverwaltung dar, hatte BÄK-Präsident Klaus Rein­hardt erklärt.

Gestern hatten auch die Landesärztekammern Berlin (ÄKB) und Hessen (LÄKH) Fincancis Freilassung verlangt. Der Verein demokratischer Ärzt*innen rief die Bundesregierung heute erneut auf, sich für ein Ende der politischen Ver­folgung der Türkischen Ärztekammer und eine unabhängige Untersuchung der möglichen Chemiewaffenein­sätze einzusetzen.

„Die Festnahme unserer türkischen Kollegin Fincanci verstößt gegen die grundlegenden Menschenrechte. Sie muss sofort freigelassen werden“, sagte heute auch Birgit Wulff, Vizepräsidentin der Ärztekammer Hamburg.

Die Ärztekammer Hamburg wies auch auf Angriffe auf Ärzte in Iran hin. Die Mediziner hatten dort gegen die Anwesenheit von Sicherheitskräften in Kliniken protestiert, in denen Protestierende gegen das Regime be­handelt werden.

Für den Präsidenten der Ärztekammer Hamburg, Pedram Emami, stehen beide Ereignisse in Zusammenhang. „In beiden Ländern wird politischer Druck auf ärztliche Kolleginnen und Kollegen ausgeübt, die lediglich entsprechend des Genfer Gelöbnisses gewissenhaft ihren Beruf ausüben“, sagte er.

Das Ziel sei offenbar, ärztliche Diagnosen zu verschleiern, die unter Umständen politische Missstände offen­legen könnten. „Wir verurteilen dieses Vorgehen ausdrücklich. Es muss so schnell wie möglich geklärt werden, was hinter diesem Vorgehen der Sicherheitskräfte in Iran und der Türkei steht“, so Emami.

dpa/may

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