Ärzteschaft

Überversorgung: Studie benennt 24 Leistungen mit medizinisch zweifelhaftem Nutzen

  • Dienstag, 4. März 2025
/SimpLine, stock.adobe.com
/SimpLine, stock.adobe.com

Berlin – Unangemessene Kontrollen von Schilddrüsenhormonen, Tumormarkerbestimmungen ohne Indikation oder Bildgebung bei Migräne ohne Indikation: Dies sind drei von 24 medizinischen Leistungen, deren Nutzen für gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten aus medizinischer Sicht fragwürdig sind, die aber gleichwohl häufig erbracht und abgerechnet werden. Identifiziert hat die 24 Leistungen mit medizinisch zweifelhaftem Nutzen eine Arbeitsgruppe der Technischen Universität Berlin, der Techniker Krankenkasse (TK) und des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi).

Die gemeinsame Studie mit dem Titel „IndiQ – Entwicklung eines Tools zur Messung von Indikationsqualität in Routinedaten und Identifikation von Handlungsbedarfen und -strategien“ wurde vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses mit rund 800.000 Euro gefördert. Geleitet wurde das Projekt von Verena Vogt, die am TU-Fachgebiet Management im Gesundheitswesen von Reinhard Busse gearbeitet hat. Vogt lehrt und forscht mittlerweile am Universitätsklinikum in Jena.

Die Arbeitsgruppe wertete für ihre Analyse TK-Abrechnungsdaten aus. Es zeigte sich, dass von 10,6 Millionen untersuchten Leistungen pro Jahr durchschnittlich zwischen 430.000 (vier Prozent) und 1,1 Millionen Fälle (10,4 Prozent) als Leistungen mit geringem medizinischen Wert eingestuft werden können. Die direkten Kosten für diese Leistungen belaufen sich im ambulanten Sektor der TK auf etwa zehn bis 15,5 Millionen Euro jährlich. Zur Einordung: Im Jahr 2023 hat die TK gut sieben Milliarden Euro für ärztliche Behandlungen ausgegeben.

Ein Beispiel ist die Bestimmung der Schilddrüsenhormone fT3/fT4. Laut der Studie wurde die Leistung im Analysezeitraum in 315.622 Fällen bei 214.347 Patientinnen und Patienten mit diagnostizierter Schilddrüsenunterfunktion durchgeführt. Der TSH-Wert gelte hier jedoch bereits als aussagekräftiger Indikator. Eine zusätzliche Messung von fT3/fT4 liefere keine weiteren diagnostischen Erkenntnisse.

Ein anderes Beispiel ist laut der Studiengruppe die Bestimmung von Tumormarkern ohne bestehende Krebsdiagnose. Die Tumormarker dienten aber zur Verlaufskontrolle bei bestehenden Krebserkrankungen und nicht zur allgemeinen Diagnostik. Dennoch seien in den Abrechnungsdaten jedes Jahr 50.000 bis 60.000 Fälle solcher Tests ohne bestehende Krebsdiagnose zu finden. Dadurch entstünden bei der TK Jahr für Jahr rund 520.000 Euro an vermeidbaren Kosten.

„Die im Rahmen der Studie betrachteten Leistungen sollten aus ärztlicher Sicht nur unter größtmöglicher Zurückhaltung erbracht werden. Dies erfordert eine besonders kritische Indikationsstellung“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried.

Er betonte jedoch, die in der Studie genannten Leistungen könnten nicht sämtlich per se entfallen.

hil

Diskutieren Sie mit:

3

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Kommentare (3)

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung