Politik

Überlastete Notaufnahmen im Fokus

  • Mittwoch, 18. Januar 2023
/dpa
/dpa

Berlin – Die medizinischen Notaufnahmen sind überlastet, die Patientensteuerung ist unzureichend organi­siert. Das haben heute Gesundheitsexperten in einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags erklärt, wie der Informationsdienst des Parlaments (hib) mitteilte.

Daniel Labes von der „Aktion: Notaufnahmen retten“ schilderte den Abgeordneten die Probleme aus der Pra­xis in Berlin. Im Dezember des vergangenen Jahres habe das System kurz vor dem Zusammenbruch gestan­den, sagte er demnach. Viele Notaufnahmen hätten sich wegen Überlastung abgemeldet, an manchen Tagen sei ein Viertel der Notfallstrukturen geschlossen worden, weil die Einrichtungen an ihre Kapazitätsgrenze gekommen seien.

Labes forderte eine verbindliche Personalbemessung in Notaufnahmen. In seiner Notaufnahme befänden sich im Schnitt 40 bis 60 Patienten, die nicht angemessen versorgt werden könnten, hieß es. Das sei eine Bank­rott­erklärung des Systems. Die Personalbemessung müsse sich an den konkreten Patientenkontakten orien­tieren. Auch müsse die nötige Qualifikation in der Notaufnahme klar definiert werden.

Martin Pin von der Deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) sprach von einer Überlastung der Notaufnahmen, weil es dort keinen verbindlichen Personalschlüssel gebe. Er warnte, die Überlastung in den Notaufnahmen führe zu einem gefährlichen Overcrowding und einer Gefährdung der Patientensicherheit.

Henriette Neumeyer von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sagte nach Informationen des hib mit Bezug auf eine Umfrage, viele Kliniken hätten sich im Dezember wegen beschränkter Kapazitäten auf Normal- und Intensivstationen von der Notaufnahme abmelden müssen.

Es gebe Personalengpässe im pflegerischen und ärztlichen Bereich. In der Pflege sei die Lage teilweise dra­ma­tisch. Sie kritisierte die Patientensteuerung. So kämen rund 74 Prozent der Patienten zu Fuß in die Notauf­nahme, ohne zuvor einen Notruf gewählt oder eine Einweisung bekommen zu haben. Die Patientensteuerung müsse verbessert werden.

Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband sagte, es gebe keinen bundesweiten Überblick über Rettungs­ein­sätze. Sinnvoll wäre ein Echtzeit-Monitoring. Das Rettungswesen brauche zudem bundeseinheitliche Re­geln.

Nach Ansicht Lebers gibt es kein Finanzierungsproblem, sondern ein Standardisierungsproblem. Nicht jeder Notruf dürfe dazu führen, dass der Patient auf einer Krankenhausstation lande. Dazu sei an verschiedenen Stellen ein rechtssicheres Steuerungsverfahren nötig. Auch die Informationstechnologie in den Leitstellen müsse verbessert werden.

Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheits­wesen, forderte eine qualifizierte, strukturierte, digital unterstützte, einheitliche Ersteinschätzung von Pa­tienten.

Möglich sei eine telefonische Beratung durch Ärzte in einer Leitstelle. Internationale Erfahrungen zeigten, dass so rund 30 Prozent der Fälle in guter Qualität abschließend erledigt werden könnten. Diese Patienten landeten dann nicht in der Rettungsstelle.

Zudem könnten Ärzte oder ein Notpflegeteam zu Patienten nach Hause kommen. Darüber hinaus könnten Patienten in einer ambulanten Praxis behandelt werden. Dazu würden Notfallslots genutzt, die in den Leit­stellen hinterlegt werden.

Schließlich könnten Patienten in einem integrierten Notfallzentrum versorgt werden. Gerlach sagte, es gehe nicht nur um mehr Geld oder Personal, sondern um eine bedarfsgerechte Steuerung der Patienten, kürzere Wartezeiten und eine bessere Versorgung.

EB/hib

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung