Überlastete Notaufnahmen im Fokus

Berlin – Die medizinischen Notaufnahmen sind überlastet, die Patientensteuerung ist unzureichend organisiert. Das haben heute Gesundheitsexperten in einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags erklärt, wie der Informationsdienst des Parlaments (hib) mitteilte.
Daniel Labes von der „Aktion: Notaufnahmen retten“ schilderte den Abgeordneten die Probleme aus der Praxis in Berlin. Im Dezember des vergangenen Jahres habe das System kurz vor dem Zusammenbruch gestanden, sagte er demnach. Viele Notaufnahmen hätten sich wegen Überlastung abgemeldet, an manchen Tagen sei ein Viertel der Notfallstrukturen geschlossen worden, weil die Einrichtungen an ihre Kapazitätsgrenze gekommen seien.
Labes forderte eine verbindliche Personalbemessung in Notaufnahmen. In seiner Notaufnahme befänden sich im Schnitt 40 bis 60 Patienten, die nicht angemessen versorgt werden könnten, hieß es. Das sei eine Bankrotterklärung des Systems. Die Personalbemessung müsse sich an den konkreten Patientenkontakten orientieren. Auch müsse die nötige Qualifikation in der Notaufnahme klar definiert werden.
Martin Pin von der Deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) sprach von einer Überlastung der Notaufnahmen, weil es dort keinen verbindlichen Personalschlüssel gebe. Er warnte, die Überlastung in den Notaufnahmen führe zu einem gefährlichen Overcrowding und einer Gefährdung der Patientensicherheit.
Henriette Neumeyer von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sagte nach Informationen des hib mit Bezug auf eine Umfrage, viele Kliniken hätten sich im Dezember wegen beschränkter Kapazitäten auf Normal- und Intensivstationen von der Notaufnahme abmelden müssen.
Es gebe Personalengpässe im pflegerischen und ärztlichen Bereich. In der Pflege sei die Lage teilweise dramatisch. Sie kritisierte die Patientensteuerung. So kämen rund 74 Prozent der Patienten zu Fuß in die Notaufnahme, ohne zuvor einen Notruf gewählt oder eine Einweisung bekommen zu haben. Die Patientensteuerung müsse verbessert werden.
Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband sagte, es gebe keinen bundesweiten Überblick über Rettungseinsätze. Sinnvoll wäre ein Echtzeit-Monitoring. Das Rettungswesen brauche zudem bundeseinheitliche Regeln.
Nach Ansicht Lebers gibt es kein Finanzierungsproblem, sondern ein Standardisierungsproblem. Nicht jeder Notruf dürfe dazu führen, dass der Patient auf einer Krankenhausstation lande. Dazu sei an verschiedenen Stellen ein rechtssicheres Steuerungsverfahren nötig. Auch die Informationstechnologie in den Leitstellen müsse verbessert werden.
Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, forderte eine qualifizierte, strukturierte, digital unterstützte, einheitliche Ersteinschätzung von Patienten.
Möglich sei eine telefonische Beratung durch Ärzte in einer Leitstelle. Internationale Erfahrungen zeigten, dass so rund 30 Prozent der Fälle in guter Qualität abschließend erledigt werden könnten. Diese Patienten landeten dann nicht in der Rettungsstelle.
Zudem könnten Ärzte oder ein Notpflegeteam zu Patienten nach Hause kommen. Darüber hinaus könnten Patienten in einer ambulanten Praxis behandelt werden. Dazu würden Notfallslots genutzt, die in den Leitstellen hinterlegt werden.
Schließlich könnten Patienten in einem integrierten Notfallzentrum versorgt werden. Gerlach sagte, es gehe nicht nur um mehr Geld oder Personal, sondern um eine bedarfsgerechte Steuerung der Patienten, kürzere Wartezeiten und eine bessere Versorgung.
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