Ukrainekrieg: Verletzung oft im Kopf-, Hals- und Gesichtsbereich

Berlin – Schuss- und Explosionsverletzungen im Ukrainekrieg betreffen oftmals den Kopf-, Hals- und Gesichtsbereich. Wie Verletzte Geflüchtete aus der Ukraine vor Ort und in Deutschland versorgt werden können berichteten Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) kürzlich bei einem parlamentarischen Abend.
20 bis 40 Prozent der Kriegsverletzungen beträfen den Kopf-, Hals- und Gesichtsbereich, wie die DGMKG mitteilte. Dabei handelt es sich um Zahlen aus anderen Kriegsgebieten: Syrien, Irak, Afghanistan und Mali.
Für den Ukrainekrieg gebe es aktuell noch keine verlässlichen Zahlen und Publikationen, sagte Alexander Schramm, Oberstarzt und klinischer Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie und Geschäftsführender Direktor am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde am Universitätsklinikum Ulm.
„Da deutsche Kliniken über modernste Standards verfügen und momentan noch ausreichend Kapazitäten haben, haben wir bereits zeitnah nach dem Kriegsausbruch unsere Unterstützung angeboten,“ berichtete Schramm. Denn die ukrainischen Kliniken mit mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen Abteilungen stoßen Schramm zufolge seit dem Kriegsausbrauch stark an ihre Kapazitätsgrenzen.
So würden ukrainischen Soldaten vor Ort zunächst erstversorgt. „Häufig müssen beispielsweise Blutungen gestillt oder Luftwege gesichert werden“, so Schramm. Doch auch Operationen fänden vor Ort statt. Für die Versorgung von Kriegsverletzten müssten teils andere Operationstechniken angewandt werden als normalerweise üblich. Eine Frakturstabilisierung nach einer Schussverletzung werde beispielsweise mit einem Fixateur externe anstelle einer Platte durchgeführt.
„Wenn sie soweit stabilisiert sind, dass sie transportfähig sind, werden sie zunächst in der Ukraine behandelt und bei Kapazitätsbedarf zur weiteren Versorgung nach Deutschland oder in andere Länder gebracht,“ berichtete Schramm.
„Es sind in Deutschland insgesamt bisher circa 900 ukrainische Patienten (Soldaten und zivil) fächerübergreifend in deutschen Kliniken zugeteilt von der Europäischen Union (EU) versorgt worden.“ Dabei habe Deutschland bisher den größten Anteil der verteilten Patienten erhalten. Zusätzlich gehe man von weiteren zwei- bis dreitausend Patienten aus, die sich selbstständig in deutschen Kliniken vorgestellt hätten.
In der Weiterversorgung liegt der Fokus in Deutschland der DGMKG zufolge vor allem auf der funktionellen Wiederherstellung, beispielsweise der Schluck-, Kau- und Sprechfunktion. Aber auch ästhetische Belange werden adressiert. „Dabei müssen wir berücksichtigen, dass der Bereich des Gesichtes hochkomplex ist“, sagte Oberfeldarzt Marcus Schiller vom Sanitätsversorgungszentrum der Bundeswehr in Seedorf.
Bei einer Verletzung im Kiefer- und Gesichtsbereich sei eine multidisziplinäre Zusammenarbeit von Oralchirurgen, MKG-Chirurgen, HNO-Ärzten, Augenärzten, Anästhesisten, Neurochirurgen und Traumatologen gefragt.
„Wenn das Gesicht durch eine Schuss- und Explosionsverletzung zerstört ist, ist das für den Betroffenen nachhaltig entstellend“, so Schiller. Dabei gehe es oft sowohl darum, dass die Zähne mit Implantaten wieder funktionsfähig hergestellt würden als auch dass das verletzte Gewebe behandelt werde, sodass möglichst viel davon erhalten bliebe.
Bei einigen Soldaten sei auch die Augenhöhle verletzt, was der DGMKG zufolge eine besondere Herausforderung darstellt: Mittels intraoperativer Assistenzsysteme wie 3D-Computer-Navigationen und einer intraoperativen Bildgebung im Zusammenspiel mit patientenspezifischen Implantaten und Operationsschablonen können MKG-Chirurgen Fremdkörper entfernen und knöcherne Symmetrien wiederstellen.
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