Vermischtes

Umsetzung von medizinischen Leitlinien laut WIdO zum Teil mangelhaft

  • Mittwoch, 21. Juni 2023
/MQ-Illustrations, stock.adobe.com
/MQ-Illustrations, stock.adobe.com

Berlin – Bei der Umsetzung evidenzbasierter Behandlungsempfehlungen aus medizinischen Leitlinien in die Praxis gibt es noch großen Handlungsbedarf. Das geht aus dem heute vorgestellten Versorgungsreport des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Darin stellen Expertinnen und Experten Beispiele für eine schleppende aber auch für eine gelungene Leitlinienimplementierung vor.

Kritik an der Umsetzung von Leitlinienempfehlungen übte bei der Vorstellung des Reports Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) des Universitätsklinikums Köln und Sprecher des Nationalen Netzwerks Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM).

Laut Wolf sollte jeder Patient mit Lungenkrebs auf Treibermutationen getestet und anschließend je nach Ergebnis des Tests individuell therapiert werden. Trotzdem werde im Augenblick jeder dritte Patient mit Lungenkrebs weder getestet noch entsprechend personalisiert behandelt.

Ein weiteres Beispiel aus dem Report betrifft die Behandlung nach einem Herzinfarkt: Auswertungen auf der Basis von AOK-Routinedaten zeigen, dass Patientinnen und Patienten nach einem Herzinfarkt meist die in den Leitlinien vorgesehenen Medikamente wie Statine oder Blutverdünner erhalten. Frauen sind aber offenbar schlechter versorgt als Männer – sie erhalten deutlich seltener die angezeigten invasiven Therapieverfahren. Bei älteren Frauen ab 80 Jahren liegt die Behandlungsrate fast zehn Prozent niedriger als bei Männern des gleichen Alters.

Der Versorgungsreport enthält aber auch Beispiele, in denen neue Leitlinienempfehlungen schnell ihre Wirkung entfaltet haben. So gibt es seit 2016 eine Negativempfehlung zu Kontrollkoronarangiografien nach Erweiterungen der Herzkranzgefäße mit einem Ballonkatheter. Diese Empfehlung hat offenbar zu einem Umsteuern geführt: Seit Veröffentlichung der neuen Empfehlungen kam es zu einem deutlichen Rückgang bei den betreffenden Kontrollkoronarangiografien.

Gerhard Schillinger, Leiter des Stabs Medizin im AOK-Bundesverband, betonte bei der Vorstellung des Reports, die aktuell diskutierte Krankenhausreform könne dazu beitragen, die Implementierung von Leitlinien zu verbessern.

„Eine gut aufgeräumte Krankenhauslandschaft mit klarer Verteilung der Aufgaben führt dazu, dass sich die Behandlungsqualität und die Ergebnisse für Patientinnen und Patienten verbessern“, sagte er. Das zeige die Erfolgsgeschichte der Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), die auf Leitlinien basiere und die Versorgung der Krebspatienten nachweislich verbessere.

Laut Monika Nothacker, stellvertretende Leiterin des Instituts für Medizinisches Wissensmanagement der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), umfasst die Leitliniendatenbank der AWMF im Augenblick rund 850 Leitlinien. Sie betonte, dass neben der raschen Implementierung die zeitgerechte Aktualisierung der Leitlinien eine große Herausforderung sei – dazu seien sogenannte Living Guidelines besonders wichtig, die ständig aktualisiert würden.

Besonderen Wert lege die AWMF auf die Vermeidung beziehungsweise das Management von Interessen­konflikten. Das Regelwerk der AWMF sehe hier wirksame Maßnahmen vor. Dazu gehöre die transparente Offenlegung dieser Konflikte und entsprechende Maßnahmen, um Verzerrungen aufgrund solcher Interessenkonflikte zu vermeiden.

hil

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung