UN-Abstimmung über Syrienhilfe: „Beschämende“ Diskussion

Damaskus/New York – Die humanitäre Hilfe für Millionen Menschen in Syrien hängt heute an einer Abstimmung im UN-Sicherheitsrat. In der kommenden Nacht läuft eine Regelung aus, die es Hilfsorganisationen ermöglicht, von der Türkei aus Hilfslieferungen auch in Rebellengebiete in Syrien zu bringen.
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) kritisierte die aktuellen Gespräche in New York. Es sei „beschämend“, die Not von Millionen von Menschen zum Spielball der Politik zu machen, sagte der stellvertretende DRK-Generalsekretär Johannes Richert dem Südwestrundfunk (SWR). Er forderte, den Zugang für humanitäre Akteure nach Syrien möglich zu machen.
„Ein humanitäres Hilfssystem müsste zumindest so aussehen, dass die humanitären Lieferungen nicht tangiert werden von politischen Diskussionen“, sagte Richert. Nach Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes haben 70 Prozent der Menschen in Syrien keine Ressourcen mehr, auf die sie zurückgreifen können.
Von den 17 Millionen Einwohnern seien 13 Millionen auf Hilfe angewiesen. Das seien beängstigende und dramatische Zahlen aus einem Land, das noch vor zehn Jahren auf europäischem Standard war, so Richert.
Unter der Woche war die Verlängerung einer Regelung zur grenzüberschreitenden Lieferung von Hilfsgütern im UN-Sicherheitsrat am Veto Russlands und Chinas gescheitert. Seit 2014 erlaubt eine Resolution den Vereinten Nationen, wichtige Hilfsgüter über Grenzübergänge auch in Teile des Landes zu bringen, die nicht von der syrischen Regierung in Damaskus kontrolliert werden.
Deutschland hatte am vergangenen Donnerstag einen Kompromissvorschlag in das UN-Gremium eingebracht. Das Ergebnis wird am frühen Freitagnachmittag (Ortszeit) erwartet. Die russische UN-Vertretung teilte mit, zeitgleich einen eigenen Text zur Abstimmung gestellt zu haben.
Derzeit sind Hilfslieferungen über zwei Grenzübergänge im Nordwesten Syriens möglich. Russland, enger Partner des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, will in seiner Gegenresolution nur noch einen Übergang freigeben. Hilfsorganisationen warnten davor, die Zahl der Grenzübergänge weiter zu reduzieren.
Bereits Anfang des Jahres war die Zahl der Grenzübergänge von vier auf zwei reduziert worden. Zuvor konnten Hilfslieferungen auch über den Irak und Jordanien nach Syrien gebracht werden. Vor allem die Versorgung der Menschen in der von Rebellen kontrollierten Region um Idlib im Nordwesten Syriens hängt stark von den internationalen Hilfslieferungen ab. Syrien betont immer wieder, dass die Hilfslieferungen auch dort agierenden Terroristen zukämen.
Russland stellte noch einmal klar, nicht gegen mehr humanitäre Hilfe zu sein. Moskau befürworte eine Ausweitung, teilte das Außenministerium heute mit. Dies müsse aber in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht geschehen und mit der Regierung des Empfängerlandes koordiniert werden.
Russland habe auch keine Einwände gegen eine Verlängerung der bestehenden Versorgung über Grenzübergänge. Eine solche Frage sollte aber an die „tatsächliche Situation vor Ort“ geknüpft werden.
In Idlib ist nach Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörden jetzt auch ein erster Fall von SARS-CoV-2 aufgetreten. „Ein größerer COVID-19-Ausbruch würde Familien, die schon jetzt um ihr Überleben kämpfen, der hochinfektiösen Krankheit in überfüllten Camps und Lagern aussetzen“, teilte die Hilfsorganisation Save the Children mit. Die Lage könne außer Kontrolle geraten, wenn sich das Virus weiter ausbreite, teilte die Hilfsorganisation CARE mit.
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