UN-Menschenrechtlerin kritisiert Flüchtlingspolitik der EU

Genf – Eine UN-Menschenrechtsexpertin hat den von der EU befürworteten Verhaltenskodex für private Seenotretter im Mittelmeer kritisiert. Die Vereinbarung, die Italien mit mehreren Hilfsorganisationen geschlossen hat, könne zu mehr Todesfällen führen, sagte die UN-Berichterstatterin für außergerichtliche und willkürliche Hinrichtungen, Agnes Callamard, gestern. UN-Berichterstatter sind unabhängige Experten, die für die Vereinten Nationen Menschenrechtssituationen untersuchen.
Italien verstoße gegen seine Menschenrechtsverpflichtungen, wenn mit dem Kodex Rettungsaktionen verhindert und dadurch vorhersehbare und vermeidbare Todesfälle in Kauf genommen würden. „Der Kodex und der Aktionsplan legen nahe, dass Italien, die Kommission und die EU-Mitglieder das Risiko und die Realität von Todesfällen im Meer als einen Preis betrachten, den zu zahlen es wert ist, um Migranten und Flüchtlinge abzuschrecken“, so Callamard.
Auch die Unterstützung der Kommission für die libysche Küstenwache kritisierte die Französin. Flüchtlinge nach Libyen zurückzuschaffen setze diese weiterer Gewalt aus. Es gebe Berichte, wonach die Küstenwache selbst auf Migrantenboote geschossen habe.
Der Verhaltenskodex sieht unter anderem vor, dass Hilfsschiffe libysche Territorialgewässer meiden. Am Wochenende hatten Hilfsorganisationen wie Sea Eye, Ärzte ohne Grenzen und Save the Children angekündigt, sich vorläufig von Rettungseinsätzen zurückzuziehen. Als Gründe nannten sie Drohungen sowie Ankündigungen aus Libyen, die eigene Such- und Rettungszone auf internationale Gewässer auszuweiten.
Unterdessen wurde ein Flüchtlingsrettungsschiff der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms nach Angaben der Helfer im Mittelmeer von der libyschen Küstenwache mehrere Stunden beschlagnahmt. Der Vorfall habe sich gestern in internationalen Gewässern ereignet, teilte die Organisation im Kurznachrichtendienst Twitter mit. „Sie drohen, auf uns zu schießen, sollten wir ihre Befehle nicht befolgen“, hieß es. Am Abend gab die NGO Entwarnung: Das Schiff sei wieder freigegeben worden, nachdem die Crew zwei Stunden lang massiv bedroht worden sei.
Bereits in der vergangenen Woche hatte Proactiva Open Arms mitgeteilt, von der Küstenwache des nordafrikanischen Landes mit Warnschüssen bedrängt worden zu sein. Die NGO aus der etwa zehn Kilometer von Barcelona entfernten katalanischen Stadt Badalona ist nach eigenen Angaben seit gut 14 Monaten mit zwei Rettungsschiffen im zentralen Mittelmeer aktiv und hat seither mehr als 20.000 Menschen gerettet.
Am Wochenende hatten die Hilfsorganisationen Sea Eye, Ärzte ohne Grenzen und Save the Children angekündigt, sich vorläufig von Rettungseinsätzen zurückzuziehen. Als Gründe nannten sie Drohungen sowie Ankündigungen aus Libyen, die eigene Such- und Rettungszone auf internationale Gewässer auszuweiten.
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